Wandern auf großen und kleinen Touren

ACHTUNG!

Ich bin umgezogen auf

https://renatezimmermann.wordpress.com/

Bitte besuchen Sie mich dort.


Dieser Blog wird nicht mehr aktualisiert. 


Berliner Nord-Süd-Weg

Von Lichterfelde bis Attilastraße


Diese Gegend im Süden Berlins war mir bis jetzt wenig vertraut. Also habe ich mich auf den Weg gemacht. Startpunkt meiner Wanderung war der S-Bhf. Lichtenrade, von dort aus arbeitete ich mich Richtung Norden entlang des Wanderweges Nummer 5, auch Nord-Süd-Weg genannt, nur eben in umgekehrter Richtung.
Auf den Fotos ist zu erkennen, dass ich überwiegend durchs Grüne gelaufen bin. Ganz erstaunlich, zumal man rechts und links des Weges Häuser und vielbefahrene Straßen passiert, ohne davon etwas zu merken. Es zieht sich praktisch ein schmaler grüner Gürtel durch Berlin. Fantastisch!
Besonders schön fand ich den Freizeitpark Marienfelde mit Berg und Aussichtspunkt. Sehr ähnlich dem Ahrensfelder Berg und dem Wuhlewanderweg.
Eine detaillierte Beschreibung der Fotos folgt. 























































BAIERWEG September 2015


Sonntag, 13.09.2015
Erste Etappe: Straubing bis Neukirchen, 24 km





Nach der gestrigen Anreise verbringen wir die Nacht in einem sehr merkwürdigen Hotel, dessen Inneneinrichtung nur auf das Notwendigste beschränkt ist. Handtücher und Betttücher sind ein bisschen fleckig, aber mein Gott, es gibt Schlimmeres, z.B. frühstücken in der Bäckerei des örtlichen Nettomarktes. Wir hatten gestern Gutscheine dafür bekommen, da das Hotel offensichtlich eher ein Wohnhaus ist, in dem gar keine Küche existiert. Als wir bei Netto ankommen, stehen schon Massen von Menschen an, die sich für ihr Sonntagsfrühstück frische Brötchen holen bzw. wie wir ihren Gutschein einlösen wollen. Die zwei Verkäuferinnen sind hoffnungslos überfordert von dem Ansturm. Diese Massenabfertigung, die Luftbrötchen und die abgezählten Wurst- und Käsescheiben, nur eine Tasse Kaffee und kein Sonntagsfrühstücksei sorgen nicht gerade für Wohlfühlstimmung. Hinzu kommt, dass wir Punkt 9 Uhr unsere Koffer abgeben müssen für den Transport zum heutigen Zielort unserer Wanderung. Alles muss schnell gehen, zack zack! Nicht gerade begeistert starten wir also in unsere erste Etappe.
Der Weg führt uns durch Straubing, 

vorbei an einer Bäckerei namens “Zeit”, was wir wörtlich nehmen und uns eine zweite Tasse Kaffee ganz in Ruhe gönnen. Weiter geht´s über die Donau 



(auf der Brücke werden wir von einem Bauarbeiter gemaßregelt, weil wir trotz Verbotsschild über seine Baustelle trampeln) und dann ein Weilchen auf einem Damm parallel zum Fluss. Erinnert ein bisschen an die Oder.





In der Ferne ist die Burg Bogen zu erkennen, der die gleichnamige Stadt zu Füßen liegt, die wir auf jeden Fall passieren müssen. 

So traben wir also vor uns hin bei strahlendem Sonnenschein. Kerstin verschwindet ab und zu aus unserem Blickfeld, da sie natürlich viel zu erledigen hat in Sachen Geocaching. Wir kommen am beeindruckenden Benediktinerkloster Oberalteich vorbei. 





In der Kirche erklingen sanfte gregorianische Gesänge, die derart zum Verweilen einladen, dass ich mich regelrecht losreißen muss. Der Wanderweg führt nun über den Friedhof zunächst in die Irre, nach Checken der Lage und Kartenstudium weiter nach Bogen. Irgendwann trennen sich unser Weg und der der Donau und wir müssen nun ca. 10 km stumpfsinnig einem Radweg folgen. Laaangweilig!!! 



Irgendwann glühen unsere Füße genauso wie unsere Gesichter und Schultern und wir sehnen den Moment herbei, wo wir abbiegen können. Nun geht es endlich auch mal auf Wiesen- und Waldpfaden bergauf, hoch zum Kloster Windberg 








und von dort auf einem Pilgerpfad  zu einer kleinen Kirche zum Heiligen Kreuz. Meine beiden Mitwanderer plumpsen auf die Bänke für Outdoor-Gottesdienste, 



mich zieht es auch hier magisch ins Kircheninnere, das dann aber doch neben dem üblichen katholischen goldüberfrachteten Brimborium ein bisschen unheimlich daherkommt.



Überall brennen weiße Tafelkerzen, die jemand eben erst angezündet haben muss, 



ich höre auch Geräusche und schaue vorsichtig um jede Ecke. Eine lange Steintreppe führt nach unten ins Dunkle zum Heiligen Grab, eine Tafel weist darauf hin, dass man die Stufen hochwärts gefälligst auf Knien zurückzulegen hat. 




Nun will ich es wissen und wage mich hinunter. Unten geht Licht an, in einer Kammer hängen hölzerne Füße an der Wand, darunter eine kleine Wandöffnung, durch die man nur gebückt durchklettern kann, was ich auch tue und plötzlich neben einem Toten stehe - Jesus. Er sieht so echt aus, dass ich mich ein bisschen grusele und es plötzlich sehr eilig habe, wieder nach oben zu kommen, allerdings auf Füßen. 






Beim Verlassen der Kirche der nächste Schock: wie aus dem Nichts steht mir eine Mönchin gegenüber! Ja - Mönchin. In braunes Sackleinen gehüllt mit einem weißen Strick um die Hüften. Wir grüßen beide Gott und ich bin sehr froh, meine profanen Begleiter wiederzusehen. Wir verlassen diesen mystischen Ort und nehmen die letzten Kilometer durch das idyllische Perlbachtal in Angriff. Hier befindet sich das von uns vorhin auf dem Radweg heißersehnte Wassertretbecken, in dem wir die Füße erfrischen.






Neukirchen naht, die erste Etappe ist wie wir am Ende und wir fallen in den Hieblwirt-Gasthof, wo wir erst mal ein Bier zischen, bevor wir die im 70er-Jahre-Style eingerichteten Zimmer beziehen. Duschen, lecker essen, Bett.  

Montag, 14.09.2015
Zweite Etappe: Neukirchen bis Kollnburg, 18 km  



Nach einem wesentlich besseren Frühstück als gestern und einem ausführlichen Bericht des Wirtes über seine misslungene Knie-OP verlassen wir Neukirchen gegen 9:15 Uhr und wandern weiter durch das Perlbachtal. An einer Freilichtbühne gibt Kerstin eine Märchenoper-Vorstellung inklusive Arie.



Nach dieser Kultureinlage müssen wir aber weiter, denn wir wollen möglichst lange im Trockenen wandern. Für heute ist Regen angesagt, der sich später auch einstellt. Der Himmel ist bewölkt, die Temperaturen wesentlich geringer als am Vortag, aber zum Laufen ist das gar nicht so schlecht. Der Weg ist wunderschön und führt nach dem Tal auf einer Bergwiese entlang, vorbei an glücklichen Kühen und Hühnern.


Nun folgt ein steiler Aufstieg zum Gehöft Meinsdorf, 


der mich wieder zum Japsen bringt und Gerd zu dem Vorsatz, das Rauchen einzustellen (hält ca. 30 Minuten an). Kerstin ist wie ein Kometenschweif außer Sichtweite, uns bringt die Beschilderung an einer Stelle noch zusätzlich ins Schwitzen, da wir spüren, verkehrt zu sein, aber den Fehler nicht finden. Doch alles klärt sich auf und weiter gehts nach oben. Oberhalb Meinsdorfs haben wir trotz der tiefhängenden Wolken einen herrlichen Blick über die Donauebene. 




Sehr oft stehen am Wegrand massenweise Ansammlungen von  Kreuzen, die meistens für die verstorbenen Heimatvereinsmitglieder der Orte errichtet wurden. 



Nun fängt es an zu regnen, aber unsere Kleidung fängt doch einiges ab. In Englmar, einem Kurort, wo die Geschäfte noch Mittagspause machen, finden wir uns mit Kerstin zusammen und arbeiten uns nun wieder zu dritt immer noch steil nach oben aus dem Ort heraus, hinein in den Wald und wieder bergab. Das ist eher mein Metier und ich genieße die schnellen Schritte über Stock und Stein durch die nach Harz duftenden Bäume und die frische Luft. Nach einer Pause sind wir so durchgefroren, dass wir schnell unserem Ziel entgegenstreben, trotz Hallux, Knie und Blasen an den Füßen. Ich bleibe davon allerdings verschont und erreiche schmerzfrei unser Etappenziel Kollnburg. Die heutige Unterkunft toppt alle Bisherigen um ein Vielfaches. 



Im Eingangsbereich werden wir von einem Ritter in der Ecke unentwegt mit “Grüß Gott” bedacht, aber auch richtige Menschen heißen uns willkommen. Die Zimmer sind freundlich und hell, das Bad schöner als zu Hause und der Blick vom Balkon perfekt. Kerstin und ich drehen noch eine Runde durch den Ort auf steilen Straßen. Wir finden das Dorfladl, dessen Angebotspalette sehr ausgesucht ist, aber das Nötigste durchaus umfasst. Postkarten allerdings gibt es hier nicht, sondern nach Aussage der Verkäuferin im Fachgeschäft für Heizung, Sanitär und Trachtenmode. Interessante Kombination.  Direkt neben dem Hotel steht die Burg mit Bergfried, der einen Blick rundum auf die Landschaft sowie in unser Hotelzimmer bietet. 




Nach dem üppigen Abendessen kuscheln wir uns auf dem Balkon in unsere Federbetten und schmauchen zum Tagesabschluss noch jeder eine Zigarre. 

Dienstag, 15.09.2015
Dritte Etappe: Kollnburg bis Bad Kötzting, 21 km



Heute ist internationaler Tag des Filzhutes. Uns stehen 20 km bevor, das scheint überschaubar. Nach einem vorzüglichen Frühstück geht es zunächst bergab in Richtung Viechtach, 






entlang des Flusses schwarzer Regen 



und an Felsformationen, die Kerstin kletternd und hängend nach Caches untersucht. Gerd und ich wandern schon mal weiter, weil es uns wartend zu langweilig wird. Ich schnappe mir Kerstins Rucksack zusätzlich zu meinem und trage ihn solange, bis sie uns eine Weile später wieder einholt. In Viechtach begegnen uns auffällig viele Kinder und wir merken erst jetzt, dass wir in den Tagen vorher gar keine gesehen haben. Unser Vorsatz, hier nach Postkarten Ausschau zu halten, zerschlägt sich, da der Baierweg uns nicht direkt durchs Zentrum führt. Unsere Hoffnung ruht diesbezüglich nun auf unserem Zielort. Als wir den Höllensteinsee erreicht haben, machen wir auf der Staumauer eine Pause. 




Am Ufer erblicken wir einen Kiosk und holen uns dort Eis, Würstchen und eine Flasche kühles Bier. Nach der Pause fällt das Weitergehen schwer, aber wir haben noch 10 km vor uns und es ist schon Nachmittag.



Kerstin hat schwer zu tun mit ihren Füßen und auch Gerd kämpft mit Würde um eine aufrechte Gangart.



Entlang des Planetenweges mit informativen Skulpturen 



und einem Denkmal zu Ehren der im 30jährigen Krieg durch Schweden ermordete Kötztinger Bürger 



erreichen wir ziemlich geschafft den Zielort. 



Unsere Pension liegt leider nicht am Weg und wir müssen, vom Handy-Navi geleitet, noch ein Stück laufen. Auch hier kommen wir nicht durch die Ortsmitte und haben wieder keine Chance, Postkarten kaufen zu können. Auch Abendessen gibt es nicht in der Pension, weswegen wir nochmal los müssen. Auf Empfehlung unseres etwas merkwürdigen Wirtes suchen wir die Brauerei mit Biergarten und verlaufen uns ein bisschen. Kerstin verkündet, dass sie nichts mehr essen möchte und umkehren will, weil sie keinen Schritt mehr gehen kann. Das stimmt schon ein bisschen nachdenklich, auch, dass ihr der gewohnte Ehrgeiz beim Geocachen abhanden gekommen zu sein scheint.
Wir können sie aber überreden und finden dann auch über den Kurpark zur Brauerei, wo wir unseren Hunger mit einem leckeren Mahl stillen können.




In Bad Kötzting findet übrigens jedes Jahr der Pfingstritt statt. Pfingstmontag um 8 Uhr versammeln sich 900 Reiter, um zu einer nahegelegenen Wallfahrtskirche zu prozessieren.

Mittwoch, 16.09.2015
Vierte Etappe: Bad Kötzting bis Neukirchen bei Heilig Blut, 27 km



Wir wissen, dass uns heute die schwierigste Etappe der ganzen Wanderung bevorsteht und haben arge Bedenken, ob wir das überhaupt schaffen. 1154 Höhenmeter und dazu noch 28 km sind kein Pappenstiel. Nach dem wider Erwarten sehr ordentlichen Frühstück



kehren wir kurz bei Edeka ein, um Wasser und Einlegesohlen zu kaufen, bevor wir die Mammuttour starten. Der Weg führt vorbei am Paradies, einer Whisky-Destillerie, in der bayrischer Whisky gebrannt wird. Danach durch die Stadtmitte, 





wo Kerstin erst einmal in einem Schuhladen verschwindet und Gerd bei Rossmann, um Pferdesalbe zu kaufen. Ich schlendere schon mal weiter und nehme aus dem Augenwinkel einen blauen Fummel wahr, der mir sehr gefällt. „Will ich haben!“ schreit mein Unterbewusstsein und fünf Minuten später ist er in meinen Besitz übergegangen. Ein netter Plausch mit der Verkäuferin motiviert, kurze Zeit darauf kommt Gerd, allerdings etwas genervt von dem Trubel bei Rossmann. Postkarten haben wir immer noch nicht. Da von Kerstin jede Spur fehlt, traben wir weiter unserem Zeichen folgend, vorbei an Zimmermanns Sanitätshaus 



hinauf in den Wald, wo uns Kerstin wieder einholt. Ein alter Forstarbeiter fragt uns, wohin des Wegs und ist erstaunt, was wir heute noch vorhaben. Er kennt offenbar die Strecke.
Der Weg führt durch Ried mit seiner beeindruckenden 1000jährigen Wolframslinde 





hinauf auf den Haidstein, die erste größere Steigung heute. Gerd findet einen perfekt geformten Wanderstock und schnitzt ihn schon mal grob als Gehhilfe zurecht. 






Kurz vor der dortigen Sehenswürdigkeit (Kapelle, Gasthaus, Aussicht) werden wir wieder den Berg hinuntergeführt, ohne was davon gesehen zu haben. Schade. Dafür begegnet uns ein wanderndes Pferd mit seinem Frauchen, hat man ja auch nicht jeden Tag. Es ist sehr heiß, und längere Strecken in der Sonne sind grausam. Es gibt so viele schöne Feld- und Wiesenwege, die man aber gar nicht genießen kann. Wir machen eine längere Pause an einer kleinen Kapelle, an der sinngemäß einen Spruch verkündet, dass jedem das passiert, was für ihn am besten ist. Finde ich schon etwas makaber.
Nun müssen wir nach Rimbach, wo wir uns mal wieder wegen undeutlicher Markierung verlaufen und dann auch noch unnötigerweise bis zur Burg Lichteneck aufsteigen, die gar nicht am Weg liegt. Als hätten wir nicht schon genug zu laufen heute. Wenn Kerstin wenigstens dort ihren Cache gefunden hätte, wäre der Gang nicht ganz umsonst gewesen.




Nun kommt der heftigste Teil der Strecke. 4 km Aufstieg auf 1 km Luftlinie (47 % Steigung) über Felsbrocken und Wurzeln hoch zum Burgstall mit Gipfelkreuz und Sendemast des Bayrischen Rundfunks. 




Wir schwitzen, keuchen und stöhnen und schleppen uns zum Schluss nur noch stoisch nach oben, immer einen Fuß vor den anderen. Kerstin verkündet danach, dass sie diese Wanderung noch durchzieht, danach aber auf Rentnerwandern umsteigen wird. Was wir hier machen, ist tatsächlich schon so eine Art Selbstverstümmelung. Auch ich komme heute an meine Grenzen, kann mich aber zu so drastischen Konsequenzen nicht durchringen. Aber was soll´s. Wir müssen weiter, haben schließlich immer noch 10 km vor uns, die das Schwierigkeitsniveau nicht unterschreiten. Bergauf, bergab, immer wieder steile Steigungen bewältigend, schleichen wir ausgepowert hoch zum Hohenbogen mit fantastischem Ausblick, wo die sogenannten Natotürme stehen und auf der anderen Seite die Bergstation der Seilbahn. 



Dorthin wanken wir noch, dann ist es 19 Uhr. 10 Stunden Extremsport liegen hinter uns und wir haben immer noch 5 km bis zum Gasthof in Neukirchen, und zwar steil bergab, ganz schwierig für kaputte Knie und Füße. Jetzt ziehe ich die Notbremse, rufe im Gasthof an und bitte darum, uns ein Taxi hochzuschicken. Das verstößt zwar gegen die Wandererehre, aber wir hätten das nicht mehr geschafft. Der Taxifahrer ist auch ganz nett und ist voller Hochachtung, was wir heute geleistet haben. Auch wir können uns stolz auf die Schulter klopfen. Die Wirtin und überhaupt das Personal des Gasthofs zur Linde sind sehr sympathisch, sie umsorgen uns und wir bekommen auch noch ein hervorragendes Essen, obwohl schon Küchenschluss ist. Wir sitzen in der lauen Abendluft draußen im Biergarten mit wunderbarem Blick auf den Berg, der uns soviel abgefordert hat. Vor morgen haben wir nun ein bisschen Bammel, immerhin sind es wieder 24 km, allerdings nicht mit so vielen Steigungen.

Donnerstag, 17.09.2015
Fünfte Etappe: Neukirchen bei Heilig Blut bis Kdyne in Tschechien, 27 km



Nach einer unruhigen Nacht (Gerd wälzt sich schmerzerfüllt hin und her und erzählt wieder Traumgeschichten) bekommen wir wie zu erwarten ein fürstliches Frühstück, sogar wahlweise Spiegelei oder gekochtes Ei. Am Nebentisch sitzen Meckerköppe, die unfairerweise an allem was auszusetzen haben. Sie verlassen den Tisch dann auch wie ein Schlachtfeld. Die Gastgeberfamilie ist wirklich sehr bemüht, es allen recht zu machen und das auf eine so angenehm natürliche Weise, die großen Respekt verdient.


Herrlich duftende Rosen im Garten des Hotels
Nach der Verabschiedung haben wir noch dies und das zu erledigen: in derTourist-Information nach Stocknägeln und Postkarten fragen, bei REWE Wasser kaufen und die Wallfahrtskirche aufsuchen, weil es dort auch Stocknägel geben soll. Postkarten haben wir nun, REWE ist viel zu groß, um gezielte Einkäufe zu erledigen, deswegen dauert das auch
ein bisschen länger. Kerstin sucht danach noch einen Cache direkt am großen Schild in der Einfahrt zum Parkplatz, gibt es aber dann auf, weil sie von den Leuten schon misstrauisch beäugt wird nach dem Motto: „Was in aller Welt macht die da?“ 
Auch eine Bibliothek gibt es hier mit arbeitnehmerfreundlichen Öffnungszeiten:


Der Stand mit den Stocknägeln befindet sich direkt vor der Wallfahrtskirche und bietet Devotionalien aller Art an. Für jeden Geschmack und Gläubigkeitsgrad findet sich hier etwas auf einem faszinierenden Preisniveau. Unsere drei Stocknägel kosten z.B. 9,30 €! Ich komme nicht umhin, Engel-Ohrringe in schwarz und weiß zu kaufen, das muss einfach sein.
Nun ist es aber an der Zeit, endlich mal unsere heutige Tour zu beginnen. Über ein Feld und natürlich erbarmungslos von praller Sonne beschienen, nähern wir uns der deutsch-tschechischen Grenze. Dazu müssen wir mal wieder hoch hinauf auf den Hofberg, 



immer begleitet von Gott in verschiedenen Variationen.
Kerstin eilt in ihren neuen Schuhen voran 


und wartet gelangweilt wie vereinbart am Grenzstein. 



Einen Cache hat sie dort in der Zwischenzeit auch gefunden. Es geht weiter durch schöne Alleen bis zum ersten tschechischen Dorf namens Fleky mit einem Denkmal zu Ehren der Kriegsgefallenen, an dem man wie auch in anderen Orten deren deutsche Vergangenheit erkennen kann. Die Häuser haben einen maroden Charme oder sehen teilweise ganz und gar verwahrlost aus. Menschen sehen wir keine, dafür werden wir von Ziegen interessiert beobachtet.


Nun müssen wir "zur Abwechslung" unseren Weg auf Straßen fortsetzen, die teilweise zwar durch den Wald führen, aber trotzdem geteert und auf Dauer Gift für die Füße sind. 




Wir kommen durch einige böhmische Dörfer und müssen ständig Traktoren und schwer beladenen LKWs ausweichen, die ungebremst an uns vorbeirauschen. Ein Stück des Weges ist Ackerland, auch hier ist reger landwirtschaftlicher Verkehr, der uns in Staubwolken hüllt. Der aufkommende Sturm potenziert diese sandige Angelegenheit und treibt uns die Tränen in die Augen. Man bekommt so eine Art Wüstenfeeling, worauf wir gerne verzichten würden. Der Himmel sieht auch sehr wütend aus.


Noch mal nach oben auf den Berg Cepice, der Wasserscheide "Elbe/Donau", müssen wir nun auf einer Serpentinenstraße vorbei an neugierigen Kühen hinunter nach Kdyne. 



Der Ort samt Einwohner macht einen völlig heruntergekommenen Eindruck auf uns, als wären alle auf Crystal Meth, wie Kerstin treffend resümiert. Wir suchen verzweifelt nach unserer Pension, obwohl wir schon fast davorstehen. Endlich gefunden, werden wir von der Wirtin im Laufschritt in die Zimmer geleitet, offenbar hat sie für uns Spätankommer keine Zeit mehr. Kurze Einweisung und weg ist sie. Wir werfen unser Gepäck ab und begeben uns in den Schwarzen Adler, wo wir vorzüglich essen und süffiges Bier trinken, bevor wir in komatösen Schlaf fallen.



Freitag, 18.09.2015
Sechste Etappe: Kdyne bis Domazlice, 21 km




Unsere Wirtin hatte es ja gestern schon sehr eilig, uns in unsere Zimmer zu verfrachten. Heute sehen wir sie dafür gar nicht. In der Küche ganz oben unter dem Dach steht unser Frühstück bereit. Hörnchen, Butter, Käse, Wurst, Klecks Eiersalat, Pfannkuchen und kaffeeähnliches Getränk. Ich vermisse Marmelade, finde welche im Kühlschrank und bediene mich frech. Irgendwie schmeckt alles nicht mehr so ganz frisch, aber das scheint nur meine ganz persönliche Wahrnehmung zu sein.
Wir sind ein bisschen ratlos, wo wir unser Gepäck und die Zimmerschlüssel lassen sollen. Niemand an der Rezeption, die Klingel bleibt ungehört, ans Telefon geht auch keiner. Ein letzter Versuch direkt an der Haustür der Vermieterin: die Tür öffnet sich und die Tochter blinzelt heraus. Wir drücken ihr die Schlüssel in die Hand und machen uns auf den Weg. Erst mal zur Synagoge, wo Kerstin was suchen will. Auch ich finde das natürlich spannend. Sie befindet sich fast neben unserer Pension, ist aber noch geschlossen. Da der Cache am Taufbecken zu finden wäre, müssten wir jetzt noch eine Stunde warten. Schade für Kerstin und auch für mich, hätte gerne mal einen Blick hinein geworfen.




In Anbetracht lädierter Füße und Knie haben wir gemeinschaftlich beschlossen, den Baierweg abzukürzen. Wir müssten jetzt eigentlich um Kdyne herum einen großen Bogen laufen wegen einiger Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte, aber die kann man ja mit Schmerzen auch nicht so richtig genießen. Wir nehmen also Kurs auf direkter Linie durch den deprimierenden Ort mit seinen überwiegend bedauernswert wirkenden Einwohnern, die mit dem Leben abgeschlossen zu haben scheinen. Klingt böse und überheblich, aber dieser Eindruck drängte sich uns auf. Der Blick zurück lohnt sich. Wieder breiten sich weite Täler und Felder vor uns aus.



Ein unfreiwilliger Abstecher auf die Burgruine Riesenberg (Rýzmberk) führt uns dann wieder auf den regulären Baierweg, meistens wie gewohnt Straßen, die kleine Ortschaften miteinander verbinden, manchmal auch auf Feldwegen und einmal sogar durch eine Hecke, hinter der sich eine schöne Anlage verbirgt mit drei kleinen Teichen, einem Haus, Tischen und Bänken und einer Bar, die wir sofort mit dem Inhalt unserer Rucksäcke zu einem Verkaufstresen umgestalten. Der ideale Ort für eine ausgedehnte Mittagspause.




Natürlich geht es danach auf Straßen weiter bis Domazlice, vorbei an übervollen Brombeersträuchern, die wir plündern. An Obst mangelt es uns nicht auf unserer Wanderung, wir müssen nur zugreifen. Ob Äpfel, Birnen, Pflaumen, wir müssen nur zugreifen.
Entlang eines Industriegebietes traben wir auf der Hauptverkehrsachse 2 km in die Innenstadt, durchschreiten das Stadttor und stehen auf einem Platz, der zu beiden Seiten von langen Arcadengängen gesäumt wird mit vielen Geschäften, die ihre Waren dort ausgebreitet haben. Man kommt sich fast vor wie auf einem orientalischen Basar. Ein schöner Anblick voller Leben. 





Unsere Pension „Familiy“ liegt direkt am Weg und wir werden herzlich empfangen. Kerstins Zimmer ist so groß, dass sie es gleich großzügig in Beschlag nimmt. 



Wir haben sogar eine Badewanne! Im Hof ist eine Art Wandelgang mit Terrasse, ideal für unsere Raucher und abends zum Klönen.
Da wir auf Grund unserer Abkürzung schon am frühen Nachmittag angekommen sind, schwärmen Kerstin und ich nochmal aus. 







Jede in eigener Mission. Ich halte Ausschau nach einem gemütlichen Lokal bzw. Stampe, wo wir gemütlich essen können und finde eine ehemalige Brauerei, die von meinen Mitwanderern als geeignet akzeptiert wird. Wir essen Gulasch mit Knödeln, trinken leckeres Bier und verkneifen uns den Palatschinken. Langsam füllt sich das Lokal mit den merkwürdigsten Menschen und es wird immer lustiger um uns rum. Leider verstehen wir ja nichts und es passt auch nichts mehr in unsere Bäuche. Wir machen noch einen Abstecher zu einem Denkmal, weil dort ein Cache verborgen sein soll. Im Schein von Taschenlampen untersuchen die beiden Findefüchse von Passanten verwundert beäugt jeden Stein und Mauerspalt, kriechen unter Bänke und Kunstwerke, aber vergeblich.
Der Abend klingt auf der Terrasse aus, bis es zu kalt wird und Zeit fürs Bett.



Samstag, 19.09.2015
Siebente Etappe: Domazlice bis Furth im Wald, 21 km



Wie immer sitzen wir auch heute pünktlich um 8 Uhr am Frühstückstisch. Im Vergleich zu gestern ist das Angebot geradezu üppig. Die Wirtin schenkt uns Kaffee ein, der allerdings so scheußlich schmeckt, dass ich ihn auch mit Milch gestreckt nicht austrinken kann. Sie fragt uns, ob wir gekochte Eier möchten und nimmt uns dafür den Eiersalat, der schon auf dem Tisch stand, wieder weg, ganz nach dem Motto: „Zuviele Eier sind gar nicht gesund!“ Es gibt die obligatorischen Hörnchen und das Übliche, später bringt sie noch eine Art Käsekuchen, der flach ist wie eine Pizza. Irgendwie kann mich heute nichts vom Hocker reißen, mir schmeckt das alles einfach nicht. Ich komme mir vor wie eine verwöhnte Osttussi.
Gegen 9.30 Uhr geht’s dann los. Wir setzen die Durchquerung von Domazlice fort und folgen unserer Wegmarkierung auf den nun schon zur Gewohnheit gewordenen Teerstraßen ganz brav, bis wir merken, dass da was nicht stimmen kann. Gott sei Dank haben wir eine Karte und finden eine Möglichkeit, über 4 km Fernverkehrstraße den Baierweg im Ort Babylon wieder zu erreichen. Wir kommen an Bordsteinschwalben vorbei und an etlichen passenden Etablissiments, die dem Ruf, der dem Ort vorauseilt, gerecht werden. 




Trotzdem ist es eine Idylle mit einem schönen See, sehr an Buckow oder Caputh erinnernd. Wir begegnen sogar einem Brautpaar im Wald. Ab dort beginnt ein wunderschöner Weg, immer entlang des Fließes „Warme Pastritz“, den wir genießen in Anbetracht der Tatsache, dass wir bisher sehr oft geteerte Wege gehen mussten. 






Der Altweibersommer ist nun schon allerorts zu spüren. Aber halt - darf man das denn noch so sagen? Es gibt auch eine gendergerechte Definition:


Jetzt ist sogar ab und zu mal wieder die blaue Raute - das Baierweg-Zeichen zu sehen, so dass uns die Orientierung nun wesentlich leichter fällt. Vorher wechselten in Tschechien die Wegmarkierungen auch öfter mal die Farbe. Wir erreichen Ceská Kubice, müssen mal wieder auf der Straße wandern, vorbei an stoffligen Bewohnern, die ihrer Samstagsbeschäftigung nachgehen. Irgendwann geben wir das Grüßen auf. Froh, dass es nach einem Anstieg in der Sonne nun wieder abwärts in den Wald geht, bewundere ich Kerstins Energie, die zusätzliche Wege auf sich nimmt, um ihre Geocaching-Liste erfolgreich abzuarbeiten. Wir schlendern derweil gemütlich weiter durch viedeoüberwachte Wälder 



mit der Verabredung, dass wir an der nächsten Bank, an der wir vorbeikommen, Rast machen und uns dort wieder zusammenfinden. Da wussten wir noch nicht, dass uns diese Möglichkeit erst nach 6 km geboten werden würde – kurz vor der tschechisch-deutschen Grenze. Ziemlich erschöpft plumsen wir auf die Bank, gerade noch rechtzeitig, denn nun setzt reger Radler-Betrieb ein auf dem Weg. Die Bank steht an einem Wegekreuz und aus allen Richtungen tauchen ständig Radfahrer auf mit enttäuschten Gesichtern beim Blick auf den besetzten Rastplatz. Das ist uns aber herzlich egal, schließlich haben wir uns diese Position hart erwandert.
Zwei Zigarettenlängen später, mit Brot, Wasser und Kaulsdorfer Kräuter gestärkt, nehmen wir das letzte Stück des Baierweges in Angriff, nun wieder auf ermüdenden geteerten Straßen, dafür aber mit Daueraussicht auf den Hohenbogen, den Berg, der uns am Mittwoch aller Reserven beraubt hatte. An der Grenze finden wir ein verlassenes Wachhäuschen






und beobachten fasziniert eine sehr alte, sehr dünne Frau beim Heueinfahren.


Auch das Ziel Furth im Wald liegt sichtbar vor uns, dem wir uns mit Kerstins Einladung auf ein Eis hochmotiviert nähern. 




Wir passieren ein beeindruckendes multifunktionales Ehrenmal für die Gefallenen des Krieges 1870/71, des 1. und 2. Weltkrieges, die Toten der deutschen Marine und für Jesus.



Eine monumentale, penibel gepflegte Anlage gleich am Ortseingang von Furth, gefolgt von Lidl, dem wir auch noch einen Besuch abstatten, um uns mit Wasser für morgen einzudecken. Dabei fallen uns die vielen dicken und in Schlabberlook gekleideten Menschen auf. Dieser Eindruck setzt sich fort, je weiter wir uns der Innenstadt nähern. Diese wiederum gefällt uns sehr gut. Der historisch gewachsene Ortskern hat viele schöne, alte Häuser aufzuweisen, ein Carillon und eine interessante Fußgängerführung mit Treppen oberhalb der Straße. 







Bevor wir unsere letzte Unterkunft aufsuchen, die freundlicherweise direkt gegenüber des Bahnhofes liegt, wollen wir aber unbedingt noch das offizielle Ende des Baierweges finden. Schließlich brauchen wir das obligatorische Beweisfoto! Die blaue Raute schickt uns im Ort hin und her, bis wir zu dem Schluss kommen, dass es wohl der Bahnhof sein muss. Ohne Schnickschnack, ohne Schild. Schade. Etwas enttäuscht marschieren wir in den Gasthof Postgarten ein, lassen dort das Foto von uns knipsen 



und werden gleich auf die Zimmer geleitet. Gerd verkündet, diesen Ort bis morgen früh nicht mehr zu verlassen, Kerstin und ich schlendern noch einmal mit Halt an der Gelateria Milchshake schlürfend und vier Kugeln Eis schleckend über den Markt in Richtung Carillon, um dessen Klängen um 18 Uhr zu lauschen. Ist schon was Schönes.
Dabei entdecken wir den Wegweiser zur Bibliothek, folgen ihm und stehen kurz darauf entsetzt vor einem heruntergekommenem Gebäude, in dem sich neben der Bibliothek auch noch die Kleiderkammer befindet.






Zurück im Gasthof, bestellen wir unser Abendessen, das einem Vergleich mit dem tschechischen Augen- und Gaumenschmaus nicht standhalten kann. Aber es macht satt. Überhaupt strahlt dieser Gasthof wie alles hier einen maroden Charme aus inklusive solcher Sprüche wie „Hast du Bärwurz in der Blutbahn, kannst du balzen wie ein Truthahn.“ oder „Der Papa furzt, die Kinder lachen. So kann man billig Freude machen.“ Noch ein Bier und wahlweise Schorle und Punsch, dazu die traditionelle Abschlusszigarre, dann ziehen wir auf den Balkon um und lassen – in dicke Decken gehüllt – den letzten Abend ausklingen. Morgen müssen wir zeitig aufstehen, um in den Alltag zurückzureisen, Abfahrt von Gleis 111.





Fazit:
Es war die anspruchvollste Wanderung, die wir je unternommen haben. Das ist besonders der 4. Etappe Bad Kötzting – Neukirchen bei Heilig Blut geschuldet mit 28 km und 1154 Höhenmetern.
Landschaftlich wunderschön, herrliche Ausblicke, dunkle Buchenwälder, Seen, Flüsse, Wiesen, Felder, alles dabei. Wege und Orte gesäumt von Kruzifixen, kleinen Kapellen und katholischen Kirchen, gepflegte Ortschaften mit üppigem Blumenschmuck (außer in Tschechien).
Wegmarkierung stellenweise mangelhaft, besonders auf der 5. Etappe von Neukirchen bis zur Grenze, ab Domazlice sogar irreführend, ansonsten aber ausreichend.
Großes Manko: mindestens die Hälfte der Strecke läuft man auf geteerten Wegen und teilweise sogar vielbefahrenen Straßen. Das wiegt dann auch die schöne Landschaft nicht auf und ist unglaublich anstrengend für die Füße. Dadurch rutscht der Baierweg in unserem Ranking auf einen der hinteren Plätze.
Die Menschen waren fast alle sehr freundlich, interessiert und hilfsbereit.


BUNKERTOUR SPEZIAL WÜNSDORF-WALDSTADT JULI 2015

Wünsdorf hat eine lange Militärgeschichte aufzuweisen. Schon vor dem ersten Weltkrieg siedelte sich hier die kaiserliche Armee an. Ich möchte hier jetzt keine militärhistorischen Abhandlungen zusammentragen, dazu bin ich zu wenig bewandert und müsste erst einmal gründlich recherchieren. Wer sich detailliert informieren möchte, dem empfehle ich das Heftchen: "Zossen Wünsdorf: Streifzüge durch eine alte Garnison".
Nur soviel - die Geschichte nahm auch hier den üblichen Verlauf. Erst waren die kaiserlichen Truppen hier, dann die Wehrmacht, dann die Russen. 
Die Bunker wurden 1937 zu bauen begonnen und gliederten sich in die Nachrichtenzentrale Zeppelin, Maybach I und Maybach II mit jeweils 12 bzw. 11 Einzelgebäuden. Diese waren 15 m hoch, 16 m breit, 36 m lang und 9 m unterirdisch. Jedes Gebäude hatte 45 Räume in zwei oberirdischen und zwei unterirdischen Etagen. Alle Bunker waren wie ein märkisches Angerdorf angelegt und durch Stollen untertage miteinander verbunden.
1947 - 1948 erfolgte die Sprengung mit mehr oder weniger Erfolg. Danach siedelte sich die russische Armee in Wünsdorf an und errichtete eine komplett eigenständige Stadt mit ca. 30.000 Bewohnern.

Zur Führung kraxelt man unter Aufsicht in und zwischen den vor sich hinbröckelnden Bunkern rum und ist wider Willen beeindruckt von der Gigantomanie und sorgfältigen Arbeit der Nationalsozialisten, die den Sprengversuchen zwar nicht komplett, aber teilweise soweit standgehalten hat, dass man nach 70 Jahren immer noch die Anlagen erkennen kann. Nun folgen diverse Fotos von kaputtem Stahlbeton, dem irgendwann aber doch noch der Garaus gemacht wird - nämlich von der Natur.











 Fundstücke

 Ein russischer Fernseher, der dafür berühmt war, gerne zu explodieren.

 In gestochener russischer Handschrift geführte Dokumentation.

 Er verabschiedet am Ausgang die Leute freundlich lächelnd.

 Unsere Herberge in Glashütte
 Ein lebender Tisch in Ermangelung eines hölzernen.

Weibertratsch vor dem wundervollen Laden "Weiberfummel" in Glashütte

EIN WOCHENENDE IM JULI 2015  AUF HIDDENSEE

Mein letzter Besuch der Ostseeinsel liegt mittlerweile bestimmt 25 Jahre zurück. Dementsprechend unpräzise sind auch meine Erinnerungen daran. Aber wie oft hatte ich mir gewünscht, dort mal wieder hinzufahren! Nun habe ich es endlich mit zwei Freundinnen geschafft, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Ein Kurztrip von Donnerstag bis Sonntag hat gereicht, dem Alltagsstress zu entkommen und völlig geerdet zurückzukommen. 
Anfangs war es unglaublich stürmisch, so dass wir auf dem Deich vom Fahrrad gekippt sind. Und trotzdem - obwohl oder weil der Wind alle anderen Geräusche wegblies - hatte diese Naturgewalt eine fast meditative Wirkung auf uns.
Mit uns hielten sich natürlich noch viele andere Menschen auf der Insel auf, seltsamerweise aber weniger am Strand (auch nicht bei schönerem Wetter am Samstag), sondern in den Orten zum Rad fahren, shoppen, spielen, essen und trinken. Uns sollte es recht sein.
Allerdings haben auch wir selbstverständlich die einschlägigen Geschäfte inspiziert und deren Umsatz gesteigert, z.B. geradezu obligatorisch die Buchhandlung "Koralle" in Vitte. Inhaberin Frau Renate Seydel höchstpersönlich - Biografin von Marlene Dietrich, Romy Schneider u.a. - saß hinter ihrer kleinen Ladentheke und beeindruckte nicht unfreundlich mit keinem Wort zuviel.
Um 17 Uhr ruhen die Orte in sich, wer Action sucht, ist hier fehl am Platze. Einzig das kleine Theater mit einem Darsteller und seinen selbstgebastelten, liebenswerten Puppen aus Strandgut und das Zeltkino bieten abendliche Unterhaltung. 
Für uns hat es ausgereicht. Zu Fuß und per Rad haben wir uns umgeschaut auf der Insel und auch einen Tag dösend im Strandkorb verbracht.
Ein wunderbares Wochenende!

Es folgen ein paar Momentaufnahmen unseres Kurzurlaubes:































STREIFZUG VON SCHÖNEBERG ÜBER WILMERSDORF NACH GRUNEWALD

Vor einiger Zeit strandeten wir schon einmal am U-Bahnhof Rathaus Schöneberg. Von der darüberführenden Brücke beeindruckte mich damals der Blick auf einen nicht enden wollenden Park. Zu Hause studierte ich den Stadtplan und stellte fest, dass dieser Grünzug sich bis nach Wilmersdorf hinzieht. Dem wollten wir nun heute am Ostermontag 2015 folgen.



Blick von der Carl-Zuckmayer-Brücke über dem U-Bahnhof zum Hirschbrunnen mit dem Goldenen Hirsch.

Skulptur auf der Brücke

Der architektonisch bemerkenswerte U-Bahnhof. Oben ist eine der Skulpturen zu erkennen.

Der Rudolf-Wilde-Park. Beginn unserer Wanderung. Fotografiert mit dem U-Bahnhof im Rücken.

Graffiti-Poesie

Der Frühling ist unverkennbar im Anmarsch.

Blick auf den Fennsee, leider mit viel Müll am Ufer.

Der Fennsee wird von der Barstraße mit dazugehöriger Brücke überquert.



Die Barbrücke aus einiger Entfernung. Sie wirkt ziemlich rau und uncharmant, wie eine Festung oder Industrieanlage. Wir haben durch die kleinen Fensterluken Schienen erkannt. Dank Google weiß ich nun, dass die U3 in der Brücke einen Tunnel hat.

Blausterne flächendeckend.

Passend dazu ein makellos blauer Himmel.

Ist das ein Rotkehlchen?


Der Park und die Idylle sind zu Ende und wir stehen an der Stadtautobahn. Eine Fußgängerbrücke namens "Hoher Bogen" führt über den tosenden Verkehr. Wir überqueren sie in der Hoffnung auf weitere neue Eindrücke.


Wilmersdorfer Sekundar-Schule in der Cunostraße. Schön, schön... Auch so einige Botschaften entdecken wir, z.B. von Israel und Aserbaidschan.

...und dann wirds wieder grün. 


Wir umrunden den Hubertus-, Hertha-, Koenig- und Dianasee, deren Uferwege nicht vollständig öffentlich begehbar sind. Altehrwürdige Villen reichen mit ihren Grundstücken oftmals bis zum Wasser. 

Brückenfigur an der Bismarckallee.


In der Koenigsallee am Koenigsee bewundern wir dieses beeindruckende Gebäude mit vielen Reliefs und Verzierungen. Es beherbergt das Rumänische Kulturinstitut. Der königliche Baurat Wilhelm Walther hat diese Villa 1912 im Auftrag eines wohlhabenden russischen Adligen errichtet als Einfamilienhaus. Im Dritten Reich war hier die Reichsfinanzschule.







Nun folgen Villenviertel, deren Häuser durch gediegene Erhabenheit oder auch Protz den Wohlstand ihrer Besitzer zur Schau tragen. Vor dem zweiten Weltkrieg haben hier viele prominente Juden gewohnt, wie z.B. Feuchtwanger, Max Reinhardt, Sauerbruch u.a.





Der Osterhase in Stein gemeißelt...



Passend zur Gegend - der Sitz verschiedener Freimaurerlogen und Orden. 



Da gerade zwei Wochen vorher in Hellersdorf eine ebensolche Telefonzelle als  innovative Bücherbox eingeweiht wurde, fand ich dieses gut gefüllte Pendant am S-Bahnhof Grunewald sehr bemerkenswert.

Endstation unserer Wanderung - das Gebäude des S-Bahnhofs.
Dort befindet sich auch die Gedenkstätte "Gleis 17", die an die Deportation der Juden im Dritten Reich erinnert.

SILVESTER AM KRÜSELINER SEE
Nach dem Trubel der letzten Wochen und Monate gönnen wir uns einen ganz ruhigen Kurzurlaub im Feldberger Seengebiet. Vom 29.12. bis 02.01.2015 haben wir uns in der Krüseliner Mühle eingemietet. Bei Minusgraden und  Schneefall reisen wir am Montag an und nehmen unser kaltes Quartier in Beschlag. Wir wohnen fast auf der Landesgrenze Brandenburg/Meck.-Pom. und überschreiten diese bei unseren Wanderungen ständig. So nach und nach wird auch unser Appartment wärmer, nachdem wir die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht haben.
Am ersten Tag stapfen wir noch durch knirschenden Schnee,
entlang teilweise zugefrorener Seen.


 Unser Domizil.
 Am 30.12. wandern wir nach Carwitz. Unterwegs entdecken wir diesen Keller...
...und Treppen, die ins Nichts führen.


 In Carwitz hat Hans Fallada lange Zeit gelebt und ist auch dort begraben.

Die Carwitzer Kirche.

Blick vom Hauptmannsberg über Carwitz auf die umliegenden Seen.
Steinhügelwäldchen.
Origineller Hinweis auf das Fallada-Haus, das jetzt ein Museum ist.
 31.12. Wir wandern durch Schneematsch nach Feldberg und natürlich auch wieder zurück. Insgesamt 20 km mit nassen Füßen, aber trotzdem irgendwie schön. Die Landschaft vermittelt eine melancholische Ruhe.

 Hier ist der Schnee schon fast verschwunden.
 Idylle.
 Carwitzer Mühle, durch das diesige Wetter nur zu erahnen.
Neujahrstag 2015. Die Sonne scheint und lockt uns zu einem letzten Spaziergang hinaus.
Drei Fischreiher umkreisen und begleiten uns laut schreiend.
 Dämmerung.
Fast ein bisschen gruselig. Düstere Tannen umsäumen den kleinen See.
Der Himmel steht in Flammen, aber nur für kurze Zeit. Danach wird es ganz schnell dunkel.
Erholt, ausgeschlafen und entspannt kehren wir nach Berlin zurück.

DEZEMBER-RUNDGANG DURCH DEN WEDDING
Einen weitereren Erkundungsgang durch den Wedding unternehme ich mit meinem Sohn. Er zeigt mir die Sehenswürdigkeiten des zweiten Blickes, die mir sonst verborgen geblieben wären.
Es wird Frühling! 
Ehemaliges Krematorium, jetzt Künstlerdomizil 
 Das schmalste Haus von Berlin. Der Legende nach vererbte ein Vater seinem ungeliebten Sohn die Lücke zwischen zwei Häusern. Dieser baute sich dort trotzig dieses Kleinod.
 Angelladen mit fliegendem Fisch
Kraftwerk Moabit am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal. Entlang des Kanals führt ein sehr schöner Weg über die Seestraße hinweg zum Plötzensee.
 Hier beginnt im Goethepark ein großer Grünzug.
Vorbei am Strandbad Plötzensee... 
hinein in den Wald... 
das turbulente Straßenleben völlig ausgeblendet... 
tauchen wir ein in die Rehberge. 
 Wunderschön, auch bei Regen!
 Ein bisschen Kunst darf auch sein.
 Dahinter eine Allee...
 davor weite Sicht vom Berg ins Grüne. Wie schön muss es hier erst im Frühling sein?
Dicke Platanen säumen den Weg.
Der krönende Abschluss für mich im Afrikanischen Viertel - ein Bücherbus!

Einmal quer durch Berlin:
VON HELLERSDORF IN DEN WEDDING
Eine Stadt zu Fuß zu erkunden, birgt viele Vorteile gegenüber anderen Fortbewegungsmitteln in sich. Das Schritttempo ist optimal an die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Körpers angepasst. Er nimmt mit allen Sinnen die Eindrücke auf, auch die kleinen Dinge des Alltags. Man hat auch Zeit, diese vertiefend zu verarbeiten, sei es die Natur, Architektur, die Menschen, die Geräusche und Gerüche. Selbst auf dem Fahrrad entgeht einem durch die höhere Geschwindigkeit so einiges. Natürlich macht es nicht immer direkt Spaß, z.B. durch Industriegebiete zu laufen, aber Schönes und Hässliches wechselt sich ab und spiegelt schließlich das ganz normale Leben!
An einem der wunderbar milden und sonnigen Oktobertage 2014 nehme ich mir frei und verwirkliche mein schon lange geplantes Vorhaben, die ca. 20 Kilometer von meiner Haustür zu der meines Sohnes zu laufen. Himmelsrichtung von Ost nach West, im Prinzip schnurgerade von rechts nach links. Direkt an meine Straße schließt sich eine Grünanlage an, die in das Naturschutzgebiet Schleipfuhl übergeht.
Von dort Blick zurück auf mein Haus.
Und weiter gehts durch die bunten Parkanlagen, zunächst Richtung Wuhlewanderweg. 

Ich verlasse den Schleipfuhl und wende mich der Kastanienallee zu,
die momentan übersät ist von frischen, glänzenden Kastanien. Kita-Gruppen sind unterwegs und sammeln eifrig. Der Boulevard führt über die U5 Hellersdorfer Straße.
Ich biege vorher ab und laufe an der U-Bahn entlang von der Station Cottbusser Straße Richtung Grottkauer Straße.
Hier überquere ich die Hellersdorfer Straße am zukünftigen IGA-Eingang "Auftakt Hellersdorf" und bin am Wuhlewanderweg.

Über den Wuhleteich hinweg blicke ich auf den Kienberg. Links sind in der Ferne die Hochhäuser am Springpfuhl zu erkennen.
Weiter gehts an der Wuhle in Richtung Cecilienstraße.




Und schon habe ich diese erreicht. Bis hierher bin ich nur durchs Grüne gelaufen und habe schon 4,5 km geschafft.
Die Cecilienstraße führt weiter über den Blumberger Damm und die Biesdorfer Oberfeldstraße hinweg und wird zu einer idyllischen kleinen Siedlungsstraße.


Plötzlich steht man auf der pulsierenden Marzahner Hauptachse "Allee der Kosmonauten".
Es gibt so einige Möglichkeiten, parallel zu dieser großen Straße durchs Grüne zum Springpfuhl zu gelangen. Nun stehe ich direkt vor einem der riesigen Wohnblöcke, die ich vorhin schon aus der Ferne erblickt hatte. Ich weiß, dass es sich darin sehr gut wohnt. Die Häuser werden von einem Consierge behütet, so dass es dort überaus ordentlich zugeht. Die Wohnungen sind teilweise über 
100 m² groß und der Blick von oben ist fantastisch! 
Die Infrastruktur lässt es dort an nichts fehlen, sogar eine Schwimmhalle gibt es.
Es schließt sich der Springpfuhlpark an mit einigen bemerkenswerten Skulpturen bekannter DDR-Künstler und natürlich dem eigentlichen Pfuhl.

Es folgt eine weniger schöne Strecke entlang der stark frequentierten Allee der Kosmonauten.
Sie führt mich über die Grenze von Marzahn nach Lichtenberg. Jetzt folgt ein sehr idyllischer Abschnitt durch Herzberge. Nach der sehr lauten industriell geprägten Straße bin ich jetzt von ganz viel Grün, Wiesenparks mit Schafen und anderem Getier und einem Waldstück umgeben, das von den Straßenbahngleisen durchschnitten wird.


Rechter Hand das internationale Gospel-Center, von dessen Existenz ich bisher nichts ahnte,
und das architektonisch bezaubernde Krankenhaus "Königin Elisabeth".


Nach dieser sehr erholsamen Wegstrecke spuckte mich der Wald unverhofft in die hässliche Herzbergstraße, in der sich Fabriken, Werkstätten und andere Firmen tummeln.
Die meisten fest in vietnamesischer Hand.
Froh, diese Gegend endlich hinter mir lassen zu können, überquere ich den Weißenseer Weg und erfreue ich mich an den in kuschliges weiches Gras gebetteten Schienen der Tram.
Ein paar Meter weiter mache ich einen Abstecher in den Fennpfuhlpark, direkt an meinem Weg durch die Paul-Junius-Straße gelegen. Eine sehr weitläufige Grünanlage, ähnlich dem Springpfuhlpark
mit einem beeindruckend großen See, dem Fennpfuhl. Ich beschließe, hier meine Mittagspause zu verbringen. Bin jetzt 2,5 Stunden unterwegs. Ich suche mir eine Bank mit Blick aufs Wasser, esse, trinke und lese ein bisschen. 
Nun muss ich noch ein kurzes Stück entlang der Landsberger Allee zum gleichnamigen S-Bahnhof.
Hinter der Brücke befindet sich unterirdisch das Velodrom und eine Schwimmhalle, darüber erstreckt sich eine etwas öde Grünfläche.
Rechter Hand der S-Bahnhof, orientiere ich mich ab hier an den Gleisen der Ringbahn, die ja in den Wedding führen.
Nun schon im Prenzlauer Berg angekommen, finde ich diese Haltestellenparade.
Und auch das ist der vielgepriesene Prenzlberg, dessen Bewohner teilweise sehr abfällig auf Marzahn-Hellersdorf herabblicken wegen des immer noch herrschenden Klischees von der öden Platte. Ist das hier schöner?
Ich wende mich von der Kniprodestraße ab und betrete den Anton-Saefkow-Park. Endlich wieder Grün!
Offensichtlich folge ich einem offiziellen Wanderweg.


Der Park zog sich ziemlich lange hin, immer parallel zur S-Bahn. Ich erreiche die Greifswalder Straße, überquere sie
und setze meinen Marsch gegenüber fort in Richtung Ernst-Thälmann-Park. Ich befinde mich immer noch im Prenzlauer Berg, wohlgemerkt. Auch wenn es das Bild nicht vermuten lässt.
Das Planetarium kündet die Nähe der Prenzlauer Allee an. Viele Leute sind im angrenzenden Park unterwegs, u.a. zwei junge Väter mit Kinderwagen, die sich angeregt über Windeln und Babynahrung unterhalten. Gender-Mainstreaming live!
Stillleben:
Die Sternwarte liegt nun hinter mir, ich überquere die Prenzlauer Allee und biege in die Stargarder Straße ein, in der das Leben tobt. Viele schöne Läden verlocken zum Innehalten, aber ich bleibe standhaft und wandere zielstrebig weiter, vorbei an der legendären Gethsemane-Kirche.
Und schon stehe ich an der Schönhauser Allee, die ich ebenfalls überqueren muss. Durch die Gleimstraße laufend, habe ich das Gefühl, mich von der S-Bahn zu entfernen und biege rechts ab in die Sonnenburger Straße. An deren Ende, Ecke Kopenhagener Straße steht ein sehr merkwürdiges Gebäude, eine burgähnliche Festung, fast wie ein Gefängnis und sehr düster und bedrückend.  Auch ein junger Mann steht staunend davor und rätselt, was das wohl sein könnte. Wir kommen ins Gespräch. Er erzählt mir von den Jahren kurz nach der Wende, als er nach Berlin gezogen ist. "Damals war hier noch was los. Aber jetzt ziehen alle coolen Leute weg, denn die haben kein Geld. Ich wohne jetzt in Marzahn, dort ists auch schön." Jedenfalls hat hier u.a. auch Zalando seinen Sitz.
In der Kopenhagener Straße entdecke ich sogar noch ein unsaniertes Haus.
Nun bin ich in der Schwedter Straße gelandet an der Jugendfarm Moritzhof.
Dort steht ein Kletterfelsen, dem in Marzahn-West sehr ähnelnd.
Die Schwedter Straße endet an der S-Bahn, also laufe ich in die andere Richtung und entdecke kurz vor dem Gleimtunnel Treppen nach oben, die mich neugierig machen. Sie führen mich in einen Park, der in dieses hübsche Birkenwäldchen übergeht. Mit fallen die vielen überdimensionierten Mülltonnen auf und die nicht vorhandenen Bänke. Ein kurzer Blick auf die Karte sagt mir, dass ich nun bei der nächsten Gelegenheit rechts abbiegen muss. Würde ich geradeaus weiterlaufen, käme ich in den Mauerpark.
Und schon bin ich im "Westen"! Der Stadtbezirk Wedding ist erreicht, das Endziel auch in absehbarer Nähe. Wie in vielen anderen Westberliner Stadtbezirken, sind auch hier ganz vorbildlich im Straßenbild Wegweiser zur Stadtbücherei montiert. Das wird man im Ostteil nicht erleben.
Die Lortzingstraße führt mich bis zur Brunnenstraße.
Darüber hinweg wird sie zur Voltastraße. Fast die gesamte Straße entlang erstreckt sich dieses Fabrikgebäude, in dem jetzt unterschiedlichste Firmen ihren Sitz haben, z.B. die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und SFE Strukturanalyse, was immer das auch bedeutet, die Deutsche Welle und der Offene Kanal Berlin. Und wieder wechselt die Straße ihren Namen in Max-Urich-Straße, hier befindet sich der Fachbereich Bionik und Evolutionstechnik. 
Meine lange Geradeausstrecke ist nun zu Ende, ich biege rechts ab in die Ackerstraße
und komme zu einem Kreisel, über den eine riesige, sehr verrostete Eisenbahnbrücke führt.
Sie flößt Respekt ein, wegen ihrer Größe und ihres baufällig wirkenden Zustandes. Aber ich muss darunter hindurch!
Nun habe ich es fast geschafft und mache sogar noch einen kleinen Umweg über den Pankewanderweg,
der sich an dieser Stelle Walter-Nicklitz-Promenade nennt.
Das Ziel Gerichtstraße ist nach 4,5 Stunden reiner Laufzeit erreicht. Inklusive Pausen habe ich 6 Stunden gebraucht. 
Fazit: bis auf die vielbefahrenen Straßen durch die Industriegebiete ein sehr grüner Weg mit vielen interessanten Eindrücken!

SCHLUCHTENSTEIG IM SCHWARZWALD
Samstag, 13.09.14
Unglaublich, dass mittlerweile schon wieder ein Vierteljahr vergangen ist seit meiner letzten Wanderung. Nun steht eine neue Herausforderung vor der Tür - der Schluchtensteig. So gründlich habe ich mich damit bis jetzt noch gar nicht beschäftigt, doch gestern - beim Durchblättern diverser Reiseunterlagen - stieß ich auf den Passus:
"Trittsicherheit und Schwindelfreiheit werden hier auf einmal zu wichtigen Tugenden. Nur nicht stolpern oder abrutschen, denn links geht es senkrecht hinab. Ein aufregend schmaler Pfad zieht sich hoch über den Fluss entlang, schummelt sich um Felskanten und gibt ein Gefühl von Seiltanzen - nichts für schwache Nerven."
Und das gleich am ersten eigentlichen Wandertag am Sonntag! Was habe ich denn da wieder angezettelt? Nun ist es für Besonnenheit zu spät, wir werden über uns hinauswachsen müssen.
Eigentlich hat die Tour gestern schon begonnen. Wie immer alles zum letztmöglichen Zeitpunkt erledigt, war auch um 18 Uhr der Koffer noch nicht gepackt, nicht einmal ansatzweise. Dafür kam ich aber auf die Idee, Plätzchen zu backen mit verschiedenen, wanderaffinen Motiven wie Männchen, Mond, Blume, Notenschlüssel, Herz, Stern, Fuß, Hand ect. Während des Ausstechens beschloss ich, jedem meiner Wandergesellen noch ein Blatt, einen Stift und eine Aufgabe an die Kekstüte zu hängen - nämlich die Aufforderung, mit Hilfe der Motive eine Geschichte zu schreiben. Na ja, und dann das Übliche. Blumengießen, Vogel füttern, Bügeln, Staubwischen und -saugen, Baden, am PC sitzen. Ach ja, und Koffer packen.
Heute morgen in 20 Minuten startbereit, und los gehts auf die lange Reise einmal quer durch die Republik. Alle sind pünktlich am Bahnhof: Kerstin, Gerd, Drehrumbum und sogar ich. Drehrumbum ist viel zu warm angezogen, der Arme wurde von seiner übervorsorglichen Mutter gezwungen, eine Regenjacke anzuziehen, nur, weil draußen so eine feuchte Luft ist.

Nun sitzen wir im Zug, müssen noch ein paarmal umsteigen, aber für 25 € pro Person nimmt man das gerne in Kauf. Kerstin liest (was sonst), Gerd schläft, ich schreibe. 


So geht jeder seiner Lieblingsbeschäftigung nach.

Massive Verspätungen haben zur Folge, dass wir den Zug von Offenburg nach Donaueschingen nicht schaffen, aber dafür haben wir Unterhaltung unerwarteter Art von genau der Sorte Männern, die - nun Rentner - alles besser wissen und den Rest der Menschheit für unfähig erklären. Außer Sarrazzin, denn der hat in ihren Augen ausnahmsweise recht. Kerstin grummelt: "Das ist wie auf Arbeit! So habe ich mir meinen ersten Urlaubstag nicht vorgestellt." Zwischendurch ist Fahrkartenkontrolle mit der Frage: "Sind hier noch zugestiegene Fahrscheine?" Das heitert uns wieder auf.
Als wir in Donaueschingen ankommen, ist unser Bus natürlich weg. Der nächste fährt in zwei Stunden. Was solls, sind wir uns einig, dann nehmen wir eben ein Taxi bis Blumberg. Der Spaß kostet uns 38 €. Puh... Vielleicht können wir die uns von der Bahn erstatten lassen. Der Versuch ist es wert. Im Hotel werden wir im breitesten Schwäbisch empfangen. Die Zimmer sind ok.,
das Essen köstlich, aber auch gehobene Preisklasse. Der Chef höchstpersönlich erklärt uns die Optionen für morgen. Entweder erst um 11 Uhr mit dem Bus zum Startpunkt in Stühlingen, oder vorher mit der Sauschwänzlebahn, die aber auch wieder extra Kosten verursacht und außerdem nicht bis Stühlingen fährt. Wir haben das Gefühl, dass er uns unbedingt in diese Bahn locken will, vielleicht bekommt er Provision. Wir entscheiden uns, bis Stühlingen zu laufen und dafür zurück mit dem einzigen Bus des Tages zu fahren. Begeistert ist er nicht. Nach dem Essen machen wir noch einen Bummel durch Blumberg. Es ist gerade Stadtfest, das uns ein bisschen sprachlos macht. Reihenweise Freß- und Saufbuden, jede mit eigener musikalischer Untermalung - ziemlich gruselig! Der Ort hat insgesamt eine ziemlich deprimierende Ausstrahlung. Einziger Lichtblick - die Stadtbibliothek mit wunderbaren Öffnungszeiten:


Sonntag, 14.09.14
Wir sind tapfer und sitzen tatsächlich 7:15 Uhr am Frühstückstisch. Das Büffet bietet ein umfangreiches Betätigungsfeld, aber irgendwann ist man eben leider satt. Auf meine Frage, ob wir uns ein bisschen Verpflegung mitnehmen dürfen, zwitschert die Chefin fröhlich: "Aber natürlich! Desch kommt dann mit auf die Rechnung!" Daraufhin erinnern wir uns an unsere Hasenbrote von gestern und ziehen so von dannen.
Die erste anstrengende Steigung führt uns hoch zum Buchberg, belohnt uns aber erwartungsgemäß mit einem herrlichen Blick über die noch weit einsehbare Landschaft. Ein Grillplatz und eine Hütte laden zum Verweilen ein, aber wir machen nur kurze Rast.
Am Wegesrand verlocken herbstliche Früchte zur Ernte und es tut mir in der Seele weh, dass ich die vielen Schlehen nicht werde ernten können. Die Sträucher hängen so üppig voll, dass sie eher blau als grünblättrig leuchten.


Die Wiesen sind teilweise übersät mit Herbstzeitlosen, immer wieder ein schöner Anblick.
Da wir heute die erste Etappe quasi rückwärts laufen, weil wir aus unerfindlichen Gründen die erste Übernachtung nicht am Start in Stühlingen, sondern am Ende der ersten Etappe in Blumberg zugewiesen bekommen hatten, geht es mehr bergab als bergauf, was mir natürlich sehr recht ist. Das Wetter ist bestens entgegen der Prognosen, die Landschaft immer noch weit und offen, fast wie in der Rhön.
Dann nahen die Wutachflühen, eine Schlucht mit dem Fluss Wutach in der Tiefe, der uns noch ein paar Tage lang begleiten wird. Die im Reiseführer als so unglaublich gefährlichen Pfade erweisen sich als zwar schmal, aber keineswegs schwindelerregend. Die Felsen rücken eng zusammen und der Wald wird höher und dichter und erinnert mich stellenweise an den Harz.
Kerstin ist voll in ihrem Element als Geocacherin und hat viel zu tun. Es wimmelt nur so von Verstecken, die es zu finden gilt. Drehrumbum wartet indessen ganz artig auf sie.

Die Bodenbeschaffenheit wechselt ständig. Wehe dem, der nicht das passende Schuhwerk trägt. Auch unsere Wanderstöcke sind eine große Hilfe. Wir halten ja hartnäckig an unserer altmodischen Knüppelvariante fest, während der moderne Wanderer von heute natürlich mit ultraleichten Trekkingstöcken unterwegs ist, für die man auch keine Stocknägel mehr benötigt. Wir schon!

Streckenweise seilt sich Kerstin von uns ab oder eilt uns voraus, weil sie in wichtiger Mission unterwegs ist. Das ist manchmal so aufregend, dass sie zu meiner Empörung den armen kleinen Drehrumbum achtlos auf die Nase plumpsen lässt, in welcher unbequemen Position wir ihn dann auffinden, als wir sie wieder eingeholt haben.
Schuld daran bin ich auch ein bisschen, weil ich die letzten Kilometer gedrängelt habe. Wir müssen ja wieder von Stühlingen zurück nach Blumberg und den einzigen Bus um 16 Uhr erreichen, der heute am Sonntag fährt. Aber wider Erwarten sind wir viel eher da, als wir dachten. Gegen 14:30 Uhr marschieren wir ein in Stühlingen und haben die ersten 19 Kilometer geschafft bei mittlerweile bulliger Hitze. Gerd leidet still vor sich hin und selbst Kerstin und ich schwitzen ein bisschen.
Auf unserem Weg in die Innenstadt kommen wir an diesem Hinweisschild vorbei und wundern uns:
Damit wir ein Auftaktfoto der Schluchtensteig-Wanderung haben, bitte ich ein paar Jugendliche, uns zu knipsen, was sie auch bereitwillig tun.

Anschließend flüchte ich kurz vor der Hitze in die Kirche im Hintergrund und bin sehr beeindruckt von der absoluten Stille, die darin herrscht. Kein Alltagsgeräusch durchdringt die Mauern, man schließt die Tür hinter sich und hat im wahrsten Sinne des Wortes seine Ruhe. ich zünde für Vati eine Kerze an, genieße die kühle, friedliche Stille und geselle mich wieder zu meinen Kumpanen. Wir haben noch Zeit, bis der Bus fährt, deswegen lädt uns Kerstin zu einem Eis ein. Nun müssen wir nur noch welches finden, gar nicht so einfach. Auch dieser Ort ist zwar hübsch hergerichtet, wie überall auch hier beeindruckend üppige Bepflanzungen öffentlicher Flächen, aber die Menschen und somit auch die Stadt wirken freudlos und irgendwie resigniert. Wir finden ein Café mit gestresstem Personal und werden zunächst von einem sehr ungepflegt wirkenden Verkäufer ignoriert. Währenddessen haben wir Zeit, staunend das Schild an der Eistheke zu studieren, das ausdrücklich verbietet, Waffeleis auf der Terasse zu verzehren. Man wird aufgefordert, sich damit aus dem Dunstkreis des Cafés zu entfernen. Aus welchem nicht nachzuvollziehendem Grund auch immer. Dann werden wir tatsächlich bedient. Gerd bekommt sein Eis zuerst und verkündet, dass er draußen wartet. Sofort wird er zurechtgewiesen, dass er sich mit seinem Eis gefälligst nicht auf der Terasse aufzuhalten hat. Kerstin macht dann natürlich keine Anstalten, den Betrag aufzurunden, wewegen der schmierige Typ minutenlang in seiner Kasse nach Wechselgeld kramt mit der offensichtlichen Absicht, dass sie doch noch nachgibt. Nö!
Wir lungern nun eisschleckend an der Haltestelle rum und warten auf den Bus, der schließlich kommt uns uns zurückbringt nach Blumberg. Auch heute wählen wir uns aus den vielen leckeren Gerichten in unserem Hotelrestaurant großzügig schmackhafte Dinge aus, besprechen den morgigen Tag und fallen müde ins Bett.

Montag, 15.09.14
Ein Auto mit israelischer Flagge vorm katholischen Pfarramt! Der morgendliche Blick vom Balkon beschert uns dieses sensationelle Bild. So fängt der Tag doch gut an.
Heute können wir endlich regulär in der richtigen Richtung dem Schluchtensteig folgen. Wir sind schon sehr gespannt auf den laut Reiseführer schwierigsten Abschnitt, auf dem wir eine lange Holzleiter senkrecht in die Schleifenbachklamm hinabsteigen müssen. Doch kaum haben wir die letzten Häuser von Blumberg passiert und den Eingang zur Schlucht entdeckt, leuchtet uns ein rot-weißes Absperrband entgegen. Die Schlucht ist wegen Erdrutsch gesperrt, das Betreten streng verboten. Wir stehen ein Weilchen unentschlossen, verärgert und ratlos rum, beugen uns dann aber der Vernunft und wählen die Umleitung, die leider der Straße folgt, wenn auch nur ca. 2 Kilometer, bis wir den Anschluss an den regulären Weg in Achdorf wieder gefunden haben. Das ist ein kleiner, feiner Ort mit hübschen Häuschen,
leuchtenden Sträuchern
und einem ganz besonderen der hier obligatorischen Kreuze am Wegesrand.
Daraus könnte man ja schon wieder eine Schreibaufgabe machen. "Füge die Objekte, die du an dem Kreuz entdeckst, zu einer Geschichte zusammen!"
Wir haben lange überlegt, welche Bedeutung dieses Bildnis wohl hat, sind aber zu keinem Ergebnis gekommen. Ein kleines Stückchen weiter das nächste Kruzifix mit einer an den Wanderer gerichteten Inschrift:
Es dauert gar nicht lange, da sind wir schon im nächsten Ort namens Aselfingen, der uns mit einem Selbstbedienungskühlschrank für Wanderer in einem liebevoll geschmückten buddhistischem Haus empfängt. Witzige Idee!


Gegenüber ein Kuhstall, dessen Bewohner uns neugierig beäugen.
In jedem Hof gibt es was anderes zu entdecken:
Das alte Gasthaus "Scheffellinde" trägt seinen Namen zu Ehren eines früher dort ansässigen Dichters und beeindruckt durch seine würdevolle Ausstrahlung. Wunderschön mit Blumen geschmückt, ist es einfach eine Augenweide.
Man sieht dem Ort seine lange Vergangenheit an, er wirkt romantisch und gemütlich und tut nach den bisherigen eher deprimierenden Eindrücken richtig gut.
Unser Weg führt uns weiter durch gepflegte Parkanlagen mit kleinen, hübschen Brücken und vorbei an
herzzerreißend schönen Liebesgedichten. Man bleibt stehen, liest, seufzt ergriffen und fühlt sich willkommen.

Putzige schottische Hochlandrinder verfolgen uns mit ihren Blicken und zaubern uns das nächste Lächeln ins Gesicht. Die sind ja soooo niedlich!

In diesem Jahr gibt es wieder unglaublich viele Äpfel. Manche Bäume können die Last gar nicht mehr tragen und brechen darunter zusammen. Ich helfe ihnen und befreie sie von dem Gewicht dreier leckerer saftiger Äpfel.
Kurz bevor wir hinter einem Sägewerk in die Wutachschlucht eintauchen, kommen wir an einem Kiosk vorbei, wo sich Kerstin und Gerd ein Glas Susa gönnen (oder so ähnlich, der Name wechselte von Tag zu Tag über Sauser zu Süßer, der eine Art Federweißer ist). Gerd fragt bei der Gelegenheit nach Stocknägeln. Antwort: "Nein!" Kurz und bündig, wozu soll man unnötig Worte verschwenden! Zu allem Überfluss fragt er dann auch noch nach dem Warum! Die gepeinigte Frau rollt die Augen und ringt sich zu dem vollständigen Satz durch: "Weil es keine mehr gibt!" Gastfreundschaft ist was anderes, aber egal, wir wollen ja in den Wald. Dort finden wir dieses merkwürdige Häuschen, das natürlich Kerstin in Entzücken versetzt, denn es ist von und für Geocacher dort aufgestellt worden.
Nach einigen Kilometern erreichen wir diese schöne Brücke, die schon sehr alt ist, aber vor ca. 10 Jahren runderneuert wurde. 
Nun folgt ein Wegabschnitt, wo der Wanderweg nur noch ein schmaler Sims zwischen senkrechter Felswand und dem Fluss darstellt, aber trotzdem gut begehbar. Sehr wild und urig auf jeden Fall.

Und wieder eine Brücke, die der ursprünglichen nachempfunden wurde, die das frühere und heute nicht mehr als Bad existierende Bad Boll mit der Wutachschlucht verbunden hat und das immer noch tut.
Die folgenden Bilder vermitteln einen Eindruck von den Pfaden und Trittchen, über die wir uns vorangearbeitet haben und die den Reiz dieses Wanderweges ausmachen.

Nach 20 Kilometern, von denen etliche durch die Schluchten geführt haben, sind wir fußlahm am Ziel der heutigen Etappe, der Schattenmühle. Sie heißt so, weil den ganzen Winter über kein einziger Sonnenstrahl das Haus erreicht. Ist das nicht furchtbar? Außerdem gibt es dort keinen Handyempfang und natürlich auch kein Internet. Als Gast kann man damit gut leben, aber dort wohnen möchte ich nicht. 2007 ist das Haus komplett abgebrannt und 2008 wieder eröffnet worden. Das ist allerdings bewundernswert. Kerstin hat ein Zimmer ohne Leselampe, wir dafür ohne Fernseher, weil der gar nicht ins Zimmerchen reinpassen würde. Das ist nicht schlimm, wir sind so müde, dass wir ihn gar nicht nutzen würden. Aber bevor wir ins Bett gehen, müssen wir noch was essen. Die Bedienung rennt mit so einem Schwarzwälder Bollerhut rum und spricht russisch akzentuiert, was irgendwie nicht zusammenpasst. Die ganze Kneipe ist komplett mit käuflich zu erwerbenden Schnapsflaschen dekoriert - in allen Fensterbrettern, in den Regalen, auf Tischen, im Bauch einer lebensgroßen Plastikkuh. Auf der Terasse sitzt eine Bauernpuppe mit Pfeife, die im 2-Minutentakt zum Leben erwacht und den Gast zum Biertrinken auffordert. Das Essen schmeckt (Kerstin und ich haben uns Spätzle bestellt), aber so direkt wohl fühlt man sich nicht. Alle erledigen ihren Job, nicht mehr und nicht weniger. 

Dienstag, 16.09.14
Einigermaßen ausgeschlafen streben wir hoffnungsvoll dem Frühstücksraum entgegen, aus dem leises Stimmengemurmel erklingt und von anderen Frühaufstehern zeugt. Bevor wir aber auch nur einen Fuß hineinsetzen, werden wir vom Personal in die Wirtsstube umgelenkt, wo nur für uns ein Tisch gedeckt ist mit der Ration, die uns zusteht. Kein Ei, kein Obst, kein Gemüse, dafür aber zwei Kannen Kaffee. Was solls. Zum Ausgleich verarbeiten wir alles uns Dargebotene als Wegzehrung und lassen nichts zurück. 
Unsere heutige Tour beginnt gleich mit einer kurzen, aber heftigen Steigung über dickes Wurzelwerk.
Das Wetter ist bestens, die Sonne lässt sich zum Leidwesen von Gerd auch schon blicken und bringt die unzähligen, von Tau benetzten Spinnweben am Wegesrand besonders gut zur Geltung. Sie sind in ihrer Fülle beeindruckend und erinnern an das baldige Ende des Sommers, was ich aber sofort wieder verdränge.
Wieder werden wir durch eine Schlucht geleitet, die Lotenbachklamm. Wasserfälle, Wurzelstufen und Leitern führen höher und bieten nach jeder Biegung eine neue Wasserfallstufe. Ich schnaufe den beiden hinterher und bin froh, dass  sich Steigungen und Neigungen die Waage halten und immer dann zu Ende sind, wenn man denkt: nun reichts!
Ein Wegekreuz spricht den Wanderer von seiner vermeintlichen Sünde frei, selten oder nie zur Kirche zu gehen. Ein stiller Blick zum Himmel sei allemal besser als ein falsches Gebet. Das finde ich aber auch.
Wir kommen an einen Punkt, wo Kerstin ziemlich lange verzweifelt und schließlich vergeblich an einer ihrer Aufgaben knabbert. Ich langweile mich und gehe deswegen provisorisch meiner Lieblingsbeschäftigung nach, mit der ich sonst die beiden immer zur Rauchpause zwinge und laufe anschließend langsam weiter, vorbei an einem blühenden Senffeld, das aussieht wie Raps.
Und schwups - schon tauchen wir wieder ab in die nächste Schlucht und erreichen nach ein paar Kilometern das Räuberschlössle - eine Ruine, die ihren Namen ihren ehemaligen Bewohnern zu verdanken hat. Hier findet Kerstin als Ausgleich ein Versteck nur auf den bloßen Verdacht hin, ohne Koordinaten. Manchmal klappt´s!

Der Fluss Wutach begleitet uns nun schon ein gutes Stück Weg und wird auch auf der heutigen Etappe von einer schönen überdachten Holzbrücke überquert.

Innen finde ich Sinn-Sprüche, die mir gut gefallen.



Während der gesamten Wanderung säumt Indisches Springkraut  unseren Weg, das sich auf Kosten der anderen überall auszubreiten scheint. Es hat kleine, sehr schöne, orchideenartige Blüten, die allerdings äußerst penetrant riechen. Diese Pflanze gilt als invasiv, das heißt, sie verdrängt massiv heimische Arten. Offensichtlich wurde der Zeitpunkt verpasst, ihr Einhalt zu gebieten. Mittlerweile befassen sich schon viele Forscher mit dieser Problematik.  
Aber dieser Tanne droht keine Gefahr. Der Schwarzwald ist geprägt durch besonders hohe Bäume, doch dieses Prachtexemplar fällt schon extrem aus dem Rahmen.

Und immer noch begleitet uns die Wutach, mal wild und laut, mal sanft plätschernd. Gerd prüft kritisch die Wasserqualität mit Hilfe seiner Geschmacks- und Geruchsnerven. Es gibt nichts auszusetzen!
Diverse Brücken überquerend, vorbei am Flusskraftwerk Stallegg folgen wir dem Schluchtensteig auf sehr romantischen Wegen, bis wir die Haslachmündung erreichen. Ein guter Platz zur Rast und Innehalten, allerdings schon von anderen Wanderern besetzt. Meistens treffen wir ja immer dieselben unterwegs: die Holländer (die eigentlich Belgier sind), die Männer (fünf Kegelbrüder) und die Hamburger (zwei Pärchen aus dem Norden). Mittlerweile kennt man sich schon. Hier sitzen aber mal völlig andere Leute, wie wir staunend zur Kenntnis nehmen. Nun müssen wir durch die Haslachklamm zum Rechenfelsen hoch, wo aber nur Kerstin Aufgaben lösen muss. Gerd und ich schauen derweil rundum und entdecken auf der gegenüberliegenden Felswand einen schwarz-weißen Straßenpfosten. Weiß der Kuckuck, wie der dorthin geraten ist.
Wer hochklettert, muss auch wieder runter, wie man auf dem nächsten Bild sieht. 
Nun erwartet uns zur Abwechslung mal wieder ein Feld- und Wiesenpfad, der nach Lenzkirch hineinführen soll. Der Ort wird als sehr sehenswert beschrieben und ich stelle mir hübsche Fußgängerpassagen vor, kleine Lädchen usw. Auf jeden Fall freuen wir uns alle auf ein Eis, bis wir plötzlich - den Kirchturm von Lenzkirch schon fast in Reichweite - wieder vor einem Umleitungsschild stehen. Wegen Bauarbeiten werden wir in großem Bogen auf einem langweiligen Wirtschaftsweg um den Ort geführt. Die Sonne brennt umbarmherzig, unser Schritt wird immer schleppender und unsere Stimmung eisiger. Der einzige schöne Anblick ist dieser Schirmpilz.
Schließlich schleichen wir eine noch langweiligere Straße in den Ort hinunter, vorbei an öden Einfamilienhäusern mit freudlosen Bewohnern, bis wir endlich den Ortskern erreicht haben. Das Rathaus grüßt mit üppigem Blumenschmuck.
Hübsch verzierte Wegweiser bestechen durch ihre Originalität. Aber trotzdem möchte man hier nicht tot überm Zaum hängen, wie man so schön sagt. 
Die Sonne kann noch so schön auf die ganze Pracht scheinen, es bleibt eine düstere, bedrückende Stimmung. Eine Bäckerei weckt in mir die Hoffnung auf dunkles Sauerteigbrot und ich kaufe mir ein kleines, bin aber gleich nach dem ersten Bissen von jeglicher Illusion befreit. Offenbar gibt es hier in dieser Region  kein richtiges Schwarzbrot, nur schwarzen Wald.
Nach einer Verschnaufpause im Gasthof "Zum wilden Mann", wo ich mir Milchreis bestelle, der aber leider nur aus der Tüte kommt, nehmen wir den letzten und nochmal heftigen Abschnitt bis zu unserem heutigen Tagesziel Fischbach in Angriff. Oberhalb von Lenzkirch finden wir ein Lesebänkle, eine nette Idee, gebrauchte Bücher weiterzugeben. 

Von oben sieht Lenzkirch tatsächlich sehr idyllisch und romantisch aus und ein Picknick an dieser Stelle macht bestimmt Spaß.
Es folgen landschaftlich wieder ausgesprochen schöne An- und Ausblicke. Durch den Sonne-Wolken-Mix ergeben sich viele lohnenswerte Fotomotive.
Und wieder säumen große, sehr große Bäume unseren Weg.
Sanfte Wiesenhänge, von einem Bach durchschnitten, wechseln sich mit Waldwegen ab.
Die Kapellen sind immer offen, hier sind die Menschen noch gottesfürchtig und trauen auch den Wanderern nichts Böses zu. Ich gehe gerne hinein und genieße die Ruhe. Es ist wie ein Abtauchen in eine friedvolle, geschützte Atmosphäre.

Auch Drehrumbum fühlt sich hier wohl.
Neben der Kapelle entdecken wir den Hinweis auf einen weiteren Selbstbedienungs-Kühlschrank. Trinkjogi klingt zu verlockend, um da nicht mal vorbeizuschauen. Gesagt, getan. Kerstin und ich kaufen im großen Stil ein: Quark, Joghurt, Bier. Vor lauter Begeisterung lasse ich mein Handy dort liegen, merke es aber nach ca. 200 Metern, weil ich ein Foto machen will und ins Leere greife. Oh Schreck! 
Auch Drehrumbum hat mal ein Schnäpschen verdient, weil er immer klaglos alle Strapazen erträgt. Mit hängender Zunge kehrt er aber nun der schönen Landschaft den Rücken.
Nach einem nicht enden wollenden, sehr steilen Endspurt-Anstieg sind wir endlich in Fischbach und sehen schon von weitem unser Hotel "Zum Hirschen". Auch hier werden wir mit dem üblichen Blumenschmuck empfangen. Mit mehr aber auch nicht.
Wir kommen gerade zur Rush-Hour an, im Restaurant wuseln die Kellner und Kellnerinnen hin und her, an uns vorbei, um uns herum. Endlich kommt ein junger Mann auf uns zu uns übernimmt die Rezeption. Es scheint Irritationen zu geben. Irgendwie hat er Probleme, im System unsere Zimmer ausfindig zu machen und fragt nach Belegen, die beweisen, dass wir gebucht haben. Tja, die sind im Koffer, und der müsste ja schon irgendwo hier sein! Grübelnd sitzt er vorm Computer. Frustriert starren wir ihm auf den Rücken, den er uns zuwendet. Nach ca. 15 Minuten kommt der große Augenblick - wir bekommen unsere Zimmerschlüssel! Hurra! Kerstin ist im Hotel untergebracht, Gerd und ich müssen durchs halbe Dorf laufen, um zu einem Haus zu gelangen, das offensichtlich zum Hotel gehört. Die Zimmer sind in Ordnung, wir duschen und wandern wieder zurück, um was Ordentliches zu essen. Das bekommen wir dann auch und geraten sogar an eine sehr, sehr nette Bedienung. Kerstin und Gerd lernen vor der Tür eine österreichische Raucherin kennen, die ihnen auf eine Zigarettenlänge ihr ganzes Leben erzählt. Am Nachbartisch beobachten wir ein seltsames Paar, die beide geradeaus starren, stumm essen und - noch den letzten Bissen im Mund - sofort bezahlen. Wir sitzen noch gemütlich und warten auf den Kuckuck in der Uhr, jeder sein obliatorisches Getränk vor sich. Gerd: Bier, Kerstin: Süßer, ich: Tee mit Rum.

Mittwoch, 17.09.14
Der morgendliche Blick aus dem Fenster lässt wieder einen schönen Tag vermuten: watteartiger Nebel wabert über dem Tal und steigt von Minute zu Minute höher.
Und schon erstrahlen die stattlichen Häuser von Oberfischbach in der Sonne und rufen: "Schaut mal, wie schön ich bin!"
Ich tue es ihnen gleich und genieße nach dem Frühstück die wärmenden Streicheleinheiten, während wir startbereit für die heutigen 20 Kilometer noch auf Kerstin warten.
Sie ist mit ihrem Einzelzimmer entweder immer im Keller oder unter dem Dach untergebracht, diesmal aber sehr repräsentativ direkt über dem Hirsch.
Wir steigen nach oben hinaus aus dem Ort. Meine Angewohnheit, mich ab und an umzudrehen und den Blick zurück zu genießen, beschert mir noch wunderbare Fotomotive.

Der Morgentau lässt die Tarnung der Spinnen auffliegen und macht uns auf ihre Kunstwerke aufmerksam:
Keine Stunde unterwegs, haben wir den den Bildstein erreicht auf 1.134 Metern Höhe, der aus dem Wald herausragt und uns einen weiten Blick über den Schluchsee ermöglicht. In unserem Reiseführer lesen wir, dass auf dem Grund des Sees noch ein Dorf steht und auch zu erkennen ist. Finde ich ja ziemlich gruslig. In den 80er Jahren wurde das Wasser mal abgelassen, um den See zu reinigen. Diese Gelegenheit nutzten viele, um das Geisterdorf zu besichtigen.

Nach und nach treffen die nun schon vertrauten anderen Wandergruppen ein, so dass es auf unserem Ausguck langsam eng wird. Also setzen wir uns wieder in Bewegung hinunter zum See. Der Weg führt uns nun eine lange Strecke immer am Ufer entlang,
wieder vorbei an einem Meer von Spinnennetzen und leider auch flankiert von etlichen großen Baufahrzeugen. Der See gerät immer wieder außer Sicht und der Weg wird ziemlich öde. 
Kerstin ist irgendwann außer Sichtweite, also trotten Gerd und ich so vor uns hin, bis es endlich wieder hoch in den Wald geht
mit seinen typischen Pflanzen wie z.B. Fingerhut. Wir machen eine Pause und warten auf unsere emsige Geocacherin.
Zwischen sanften Wiesenhängen passieren wir ein paar Siedlungen mit wenigen Häusern - uralten Schwarzwaldhöfen mit großen Dächern, die - wie ich gelesen habe - den erbarmungslosen Wintern trotzen sollen.


In Althütte lädt wieder ein Kirchlein zum Verweilen ein. 

Da wir kurz vorher gerätselt haben, wieviel Perlen ein Rosenkranz hat, kommt diese Madonna gerade recht. 
Ein weiteres erhabenes Weißtannen-Prachtexemplar versetzt uns in ehrfürchtige Bewunderung. Was der Baum schon alles gesehen und erlebt haben mag! Und so ein gerader Wuchs! 


Nun geht es nur noch bergab, und zwar heftig. Über 4 Kilometer steil hinunter durch eine Schlucht direkt nach St. Blasien hinein. Wer keine gesunden Knie hat, muss Schmerzen mögen, um den Weg schön zu finden. Es geht durch eine naturbelassene Schlucht, das heißt, dass seit über 100 Jahren Forstarbeiten in dem Bereich verboten sind. Entsprechend urwüchsig geht es dort auch zu.
Der Windberg-Wasserfall tost lautstark über die Felsen herab, so dass wir nur noch Rauschen hören.
Feuchte, saubere Luft stärkt unsere Lungen und gibt uns die Kraft, die letzten Meter aufrecht und forschen Schrittes zu bewältigen.
In St. Blasiens Fußgängerpromenade angelangt, werden wir vom örtlichen Einzelhandel zünftig begrüßt, so dass wir gleich wissen, wo es hier langgeht:
Da es schon 17 Uhr ist, die Läden also in Kürze schließen und wir aber noch Stocknägel und Postkarten kaufen wollen, lassen wir unser Hotel direkt gegenüber dem Dom erst mal links liegen und schauen uns in den wenigen Geschäften um. Kerstin geht wieder eigene Wege, Gerd und ich finden tatsächlich einen Laden, der noch Stocknägel führt. Dort gibt es auch kleine Bollerhüte! Ich kaufe einen für Drehrumbum, der schon seit vorgestern rumjammert, dass er auch so einen Hut haben möchte. 
Kerstin winkt uns schon von weitem zu und wundert sich, dass wir keine Reaktion zeigen. "Die könnten ja mal zurückwinken.", schmollt sie. Nein, können die eben nicht, weil es Schaufensterpuppen sind! Tja, Kerstin, mit Brille wäre das nicht passiert! Wir treffen uns kurz darauf alle wieder und laufen zum Domhotel, immer den riesigen, für diesen kleinen Ort völlig überdimensionierten Dom vor Augen, dem Berliner Dom sehr ähnlich.
Da unser Hotel heute Ruhetag hat, müssen wir - einem Hinweisschild folgend - am Hintereingang klingeln. Das machen wir auch folgsam, doch niemand öffnet uns. Auch ein Anruf im Hotel bleibt ungehört. Wir sind geduldig und probieren immer wieder unser Glück, vergeblich. Nur ein Anrufbeantworter redet mit uns. Handys zur mobilen Erreichbarkeit scheinen hier nicht gebräuchlich zu sein. Wir sind ratlos und so langsam auch ziemlich angenervt. Ich rufe schließlich verzweifelt bei dem Reiseunternehmen an, wo ich die Tour gebucht hatte. Aber auch von dort aus konnte man uns nicht so wirklich helfen, da - wie gesagt - nur die erfolglose Kontaktaufnahme über die Festnetznummer möglich war. Aber immerhin bringt die gute Frau (die auch schon längst Feierabend hat) in Erfahrung, dass unsere Koffer im Hotel sind, während wir eben immer noch draußen stehen. Währenddessen kommen und gehen Hotelgäste an uns vorbei, darunter auch eine Gruppe unserer Mitwanderer, die sich wundern, dass wir immer noch draußen rumlungern. Bei ihnen hat offensichtlich alles gut geklappt. Sie lassen uns rein, aber viel hilft uns das auch nicht weiter. Wir können ja nicht im Treppenhaus übernachten. Alle sind hilfsbereit und durchforsten die Infomappen in den Zimmern nach einer Notfall-Nummer. Davon gibt es unzählige, für jeden Fall eine andere Durchwahl der in jedem Satz gepriesenen hauseigenen Telefonanlage. Toll. Jede Nummer mündet in einen Anrufbeantworter. Als letzte Möglichkeit ziehen wir nun in Betracht, die Polizei zu rufen, mittlerweile schon pappesatt. Eine Frau mit jugendlicher Tochter kommt derweil die Treppe herunter, wirft uns neugierige Blicke zu und entschwindet nach draußen. Einer Eingebung folgend, rennen wir hinterher und fragen sie, ob sie Hotelgast ist oder idealerweise zum Personal gehört? Tut sie! Sie ist die Frau des Besitzers und äußert zunächst etwas unwirsch ihre Verwunderung, wie wir denn reingekommen wären und warum wir nicht geklingelt hätten? Haha!!!
Nach unseren Erklärungen wird sie sanfter und bemüht sich um Klärung. Zunächst pfeift sie ihren Mann von oben runter (die Familie wohnt dort) und meint, ihr Mann hätte vermutlich vergessen, die Telefonanlage und Klingel nach oben in die Wohnung durchzustellen. Ich sage nur wieder: HANDY????? Er kommt mit Fragezeichen im Gesicht die Treppe runter, quasi ein Double von Scharping. Ein fader, farbloser Mensch mit einer unglaublich negativen Ausstrahlung. Ich bin wirklich nicht esoterisch veranlagt, aber dieser Mensch sendet bleierne Schwingungen aus, die auch mein letztes bisschen Empathievermögen lahmlegen. ich fühle mich augenblicklich körperlich so unwohl, als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Jedenfalls pflaumt er uns erst einmal vorsorglich an, wie wir auf die Idee kämen, bei ihm übernachten zu wollen. Er verschwindet in sein Büro und kommt dann etwas kleinlauter zurück. Unsere Koffer hätte er auf die Zimmer gebracht, dass dann aber auch noch dazugehörige Personen um Einlass bitten werden, völlig vergessen. Seine Frau weist ihn an, uns wenigstens Freibier zu gewähren, das er uns auch folgsam auf die Zimmer bringt.
Diese sind äußerst stilvoll eingerichtet, alles ist aufeinander abgestimmt. Man merkt, das sich hier jemand sehr viel Mühe bei der Einrichtung gegeben hat. Sogar das Muster der Vorhänge setzt sich in der Deckenbemalung fort. Draußen rauscht die Alb direkt unter unserem Zimmer entlang, der Blick aus dem Fenster fällt direkt auf den Dom. Eigentlich perfekt, aber lähmend altmodisch (schon allein die vielgepriesene, aber völlig überholte Telefonanlage) und für mich bedrückend im wahrsten Sinne des Wortes. Wir schwärmen noch einmal auf Nahrungssuche aus, umgehen ein historisches, aber vermutlich sehr teures Restaurant mit übersichtlichen Portionen auf den Tellern und landen in einer Pizzeria. Die Kellnerin, als solche zunächst auf der Terasse sitzend und handyspielend nicht als solche zu erkennen, kommt angeschlendert, überaus freundlich und betont witzig und bringt uns unser Essen. Reichlich, schmackhaft, aber eben mit schmuddeligem Drumherum. Für das zweite Getränk müssen wir mit vollem Einsatz um ihre Aufmerksamkeit kämpfen, ebenso um die Rechnung. Auf dem Heimweg schlendern Kerstin, Drehrumbum und ich noch zum Dom, um die Öffnungszeiten in Erfahrung zu bringen, weil wir ihn morgen vor der nächsten Tour von innen betrachten wollen. Drehrumbum hat aber offensichtlich noch keine Lust, ins Bett zu gehen. Er hopst unbemerkt aus Kerstins Rucksack, aber sie bemerkt das Gott sei Dank noch vor dem Schlafengehen und geht ihn erfolgreich suchen.

Donnerstag, 18.09.14
Am nächsten Morgen nach einer für mich fast schlaflosen Nacht in diesem Psychothriller-tauglichen Hotel gibt es Kaffee aus silbernen Kannen im gediegenen 60er Jahre-Ambiente mit einem Frühstücksbüffet, das keine Wünsche offen lässt.  
Meine Wirt-Phobie ist noch nicht verebbt und ich habe nur ein Ziel: raus hier! Aufatmend laufe ich über den Domplatz und betrete diesen riesigen Tempel: 
Auffällig ist die angenehme Schlichtheit, sehr ungewöhnlich für katholische Gotteshäuser. Die dominierende Farbe ist weiß, sehr wohltuend und beruhigend.
Es gibt allerdings auch was zum Schmunzeln in St. Blasien, nämlich dieses Geschäft:
Ich glaube, wir sind alle froh, diesen merkwürdigen Ort hinter uns lassen zu können. Der Blick zurück wird natürlich immer noch vom Dom "dom"iniert.
Nun geht es erst einmal vier Kilometer streng bergauf von 780 Höhenmeter auf den 1039 Meter hohen Lehenkopf mit hölzernem Aussichtsturm. Natürlich steigen wir hoch und ich entdecke diesen Spruch an der Wand:
Wie wahr! Oben angekommen, sehen wir (Trommelwirbel......tatahhh!!!): Wald! Nichts als Wald. Kerstin haben wir hinter uns gelassen, aber die Wege sind so gut ausgeschildert, dass wir uns nicht um sie sorgen müssen. Wir kommen zu mehreren Stellen, von denen aus man bei guter Sicht die Alpenkette sehen kann. Heute ist sie nur zu erahnen:

Winzige Blüten sind bei näherer Betrachtung wunderschön:
Lauschige Ruheplätze geben dem Betrachter die Möglichkeit, die sanfte Landschaft zu genießen.
Silberdisteln erinnern mich immer an meine Kindheit, weil wir mal einen Strauß zu Hause stehen hatten. Das hat sich in mein Bewusstsein gebrannt, weil es damals schon verboten war, sie zu pflücken.
Nun führt uns der Weg weiter über eine Hochfläche, vorbei an einzelnen Höfen am Klosterweiher hinüber nach Ibach, durch Kuhherden hindurch und das mit mulmigem Gefühl, weil wir ja nun die Story von der Frau kennen, die in diesem Sommer in Österreich von Kühen getötet wurde. So beeinflussbar ist man, obwohl man das gar nicht will. Wir werden nicht angegriffen, sondern nur angeglotzt. Irgendwann senkt sich der Weg in die Hohwehraschlucht hinab, die uns wieder an den Namen unserer Wanderung erinnert. Wir folgen dem Weg über etliche Kilometer durch feuchten Urwald, begegnen einer Frau mit erstaunlich blütenweißer Hose, während wir aussehen wie nach einer Schlammschlacht.
Nach insgesamt 20 Kilometern erreichen wir Todtmoos, dem nachgesagt wird, es trüge seinen Namen zu recht. Wir sind nach St. Blasien aufs Schlimmste gefasst und werden sofort vom Gegenteil überzeugt. Endlich mal ein Ort, der eine gewisse Heiterkeit und Gelassenheit ausstrahlt. Wir wandern - aus der Schlucht kommend - direkt in die nächste Kneipe, wo schon eine Gruppe unserer Mitwanderer beim kühlen Bier sitzt. Dort wird mir nachgesagt, ich würde aussehen wie eine Lehrerin. Es gibt Schlimmeres, sage ich mir. Wir bestellen nach dieser Erfrischung Plätze für den Abend, denn das Lokal scheint stark frequentiert zu sein. Auf der Suche nach unserem Hotel kommen wir an einem Laden vorbei, der Kerstin und mir Schreie des Entzückens entlockt. Ein ganzes Geschäft voller plüschiger Schafwoll-Kuscheltiere in allen Größenordnungen. Es ist der blanke Wahnsinn. Gott sei Dank schließt der Laden gerade, sonst hätten wir uns, glaube ich, tatsächlich so einen Plunder gekauft. 


Das Hotel sieht von außen wie ein Plattenneubau aus, von innen auch, aber sehr modern und betont gepflegt mit hauseigener Sauna, Kosmetik- und Wellnessbereich. Kommt für uns nicht in Frage, wir sind auch so schön genug. Im Flur sitzt diese smarte junge Frau, tagein, tagaus, immer in dieser lässigen Pose, natürlich in Schwarzwaldtracht mit Bollerhut.
Wir sind froh, für unser abendliches Schlemmermenü Plätze bestellt zu haben. Es ist total voll, aber sehr gemütlich in dem Lokal. Wie immer bestelle ich mir auch heute Tee mit Rum, bekomme aber Rum mit Tee. Entsprechend lustig finde ich dann auch alles und jeden. Ganz im Gegensatz zu einem distinguierten Paar, das uns schon beim Eintreten äußerst befremdet musterte. Wo gibts denn auch sowas, dass ein Kerl lange Haare hat und zu allem Überfluss auch noch mit zwei Frauen öffentlich auftritt. Pfui Teufel.
Wir werden heute tatsächlich mal sehr nett bedient und fühlen uns rundum wohl.
Drehrumbum auch in den Armen der jungen Frau!
Man sieht es ihm an.

Freitag, 19.09.14
Unser letzter Wandertag! Kaum begonnen, ist die Woche schon wieder fast rum. Wir haben 22 Kilometer vor uns und verlassen Todtmoos bergauf, vorbei an einer barocken Wallfahrtskirche. Irgendwie ziehen mich Kirchen immer magisch an, weswegen ich liebend gerne auch hier einen Blick hinein riskiert hätte, der mir aber nur durch die Scheibe möglich ist. Drinnen findet gerade ein Gottesdienst statt mit mehr Personal als Publikum. Eine wunderschöne Melodie entschwebt der Orgel, der ich gerne noch länger gelauscht hätte, aber wir müssen ja weiter, bergauf nach Schwarzenbach, einem Ortsteil von Todtmoos. 
Der obligatorische Blick zurück:
Ab Schwarzenbach geht es nun bis zum Ziel fast nur noch bergab, die Landschaft läuft nochmal zu Höchstformen auf. In gewohnter Manier türmen sich auf einer Seite die Felsen auf, während unten ein Fluss rauscht. Wir laufen wieder durch einen Bannwald, der nicht bewirtschaftet werden darf. Entsprechend wild und urig sieht er aus.
Nach etlichen Kilometern in straffem Tempo, das Gerd vorlegt und mich hinterher hecheln lässt, legen wir an einer besonders schönen Stelle mit Ausguck eine Pause ein. An uns vorbei flanieren die üblichen Verdächtigen - dieselben Gruppen der vergangenen Tage.

Die Wehra, der wir nun bis zum Ende der Etape folgen:
und Wald, viel schwarzer Wald:
Der Pfad schlängelt sich in endlosen, aber romantischen Serpentinen immer weiter auf und ab. Kerstin haben wir schon seit heute morgen nicht mehr gesehen, sie hat zu tun! Schließlich ist heute der alles entscheidende Tag, an dem sich herausstellt, ob sie alles richtig gemacht hat in den vergangenen Tagen. Sie ist ja schon groß und wird ihren Weg finden.
Kurz vor Wehr, dem Ziel des Schluchtensteigs, passieren wir noch den schrecklich hässlichen Wehra-Stausee. Er macht den Eindruck, als wäre er gar nicht mehr in Betrieb. Der Wasserpegel ist sehr niedrig und unser Blick prallt rundum an Beton ab. Irgendwie sieht das alles ein bisschen gruslig aus und ist kein Ort zum Verweilen. Kerstin schwirrt noch ca. einen Kilometer hinter uns verzweifelt im Wald rum und muss offensichtlich und frustriert der Tatsache ins Auge blicken, dass sie ihr großes Cache-Wochenrätsel wohl nicht lösen wird. Wir fühlen mit ihr, wirklich! Immerhin hat zumindest Gerd mit seinem Scharfblick einen großen Anteil daran, dass sie so weit gekommen ist, aber leider fehlen ihr zwei Zwischenlösungen zum Endergebnis.
Wir nehmen nun die letzten zwei Kilometer entlang der Wehra hinein in den Ort Wehr in Angriff. Unser Hotel befindet sich gleich am Ortseingang. Als wir eine Brücke schon mit Sicht aufs Hotel überqueren, bleibt Kerstins Stock, den ich die ganze Zeit bei mir hatte, mit der Spitze zwischen zwei Bohlen stecken und bricht ab. So ein Mist! Aber ich kann wenigstens die Metallspitze noch retten, so dass sie Gerd wieder montieren kann. Nun ist der Wanderstock eben drei Zentimeter kürzer.
Auch dieses Hotel hat Ruhetag, aber hier ist alles perfekt geregelt. Wir haben einen Zahlencode, mit dem wir einen Briefkasten öffnen können, in dem sich unser Schlüssel befindet. Die Koffer sind auch da. Wir haben einen riesigen Balkon und genießen erst einmal die letzten Sonnenstrahlen und ruhen uns aus. Um direkt ans Ende des Schluchtensteigs zu gelangen, müssen wir natürlich die letzten Meter dorthin auch noch laufen, damit diese Wanderung ein zünftiges Ende findet. Das obligatorische  Beweisfoto machen wir allerdings erst am nächsten Morgen, am Tag unserer Heimreise.

Den letzten Abend verbringen wir mit Nahrungssuche und damit verbundenem Stadtbummel. Wir werden von einem griechischen Gastwirt eingefangen, der vor der Wirtschaft auf der Straße rumlungert und potentielle Kunden anspricht. Bei uns hat er Erfolg und wir bereuen es nicht. Ein opulentes Mahl erwartet uns, ganz nach unseren individuellen Bedürfnissen zugeschnitten. Mit dicken Bäuchen rollen wir zurück ins Hotel zur letzten Übernachtung. Am nächsten Morgen lernen wir dann auch das Personal kennen und werden vom Chef sehr freundlich und gut beraten, wie wir nun am besten mit unseren Koffern zum Busbahnhof kommen, nämlich mit dem Taxi. So schließt sich der Kreis. Der Bus bringt uns zur Regionalbahn, mit der wir ein kurzes Stück nur bis Basel fahren. Von dort aus bringt uns ein durchgehender Zug in 7,5 Stunden direkt nach Berlin für 25 € pro Person. Da sage noch einmal jemand was gegen die Bahn!
Resümee:
Der Schwarzwald ist tatsächlich landschaftlich einzigartig und macht seinem Namen alle Ehre. Unser Weg führte uns durch Baden, das wir nun für immer und ewig mit einer merkwürdigen, humorfreien und introvertierten Bevölkerung in Verbindung bringen werden. Wir hatten auch sehr nette Begegnungen, aber das Befremdliche überwog eindeutig. Die Kombination "Land und Leute" lässt unsere diesjährige Wanderung in der Rangfolge aller bisher absolvierten weit nach hinten fallen. Da wir uns nicht willkommen gefühlt hatten, verspüren wir auch nicht den Wunsch nach Wiederholung.

ZWEITER ANLAUF AUF DEN HOCHGOLLING (LUNGAU)
Samstag, 12.07.14
Nach drei Stunden Schlaf ist für mich die Nacht zu Ende. Glücklicherweise ist Wolfram gerade zu Besuch und hat sich bereiterklärt, mich zum Bahnhof zu fahren, so dass sich meine Nachtruhe um eine halbe Stunde verlängert hat. Um diese Zeit kommt man ganz entspannt auf Berlins Straßen voran, so dass ich schon eine halbe Stunde vor Zugabfahrt an Ort und Stelle bin. Der Zug ist pünktlich und bringt mich zu meinem ersten Etappenziel München.  Ich sitze mit einem jungen Pärchen an einem Vierertisch. Die Sitze sind sehr bequem, aber es herrscht unter dem Tisch ein ständiger Kampf darum, wer wohl als Nächster seine Beine ausstrecken darf. Alle dösen vor sich hin. Ich beschließe irgendwann, mein diesjähriges Urlaubstagebuch zu beginnen und entdecke beim Öffnen des Schreibprogramms auf meinem Tablet den Bericht vom letzten Jahr. Ich schmökere ein bisschen darin und probiere die diversen Einstellungsoptionen aus. Dabei fällt mir ein merkwürdiges Symbol auf namens TTS. Neugierig tippe ich drauf. Plötzlich liest eine blecherne Frauenstimme für das ganze Abteil gut hörbar vor, dass meine Hütte ein wenig nach Kuhstall roch und ich Feuer gemacht habe und danach ins Bett gekrochen bin. Während ich panisch versuche, diese Stimme zum Schweigen zu bringen, erzählt sie unbeirrt weiter vom Regen am nächsten Morgen und dass ich erst mal kalt geduscht habe, bevor es lecker Frühstück gab.Mittlerweile sind nun alle im Abteil wach und lauschen interessiert, wie es weitergeht. Erde tu dich auf! Am liebsten würde ich das Ding aus dem Fenster werfen! Endlich finde ich den Ausschalter und bereite der Märchenstunde ein Ende, zu meiner Erleichterung und vermutlich auch der meiner Mitreisenden. Ich mache mich unsichtbar in der Hoffnung, dass das alle ganz schnell wieder vergessen. Währenddessen sind wir schon gut vorangekommen und bewegen uns in Richtung Bayern.
In Lichtenfels steigen meine Tischnachbarn aus. Kurze Freude über den Platzluxus, bis eine sehr schöne junge Frau in Polizeiuniform und ein nicht so schöner Schnösel im Papageienlook sich über die freien Plätze freuen. Der Mann ist folgendermaßen gekleidet:
taubenblaues Jackett, blau/rot/weiß/grün-kariertes Hemd, darunter weinrotes Shirt, Hose in der Farbe von rotem Lehmboden, rote Wildlederschuhe mit heller Sohle und blauen Schleifen. Mut zur Farbe! Dani hätte ihre Freude an diesem Anblick. Wir fahren gerade vom Sonnenschein hinein ins schlechte Wetter. Ich hoffe, dass es die Grenze zu Österreich respektiert!
Der Zug ist auf die Minute pünktlich,  so was gibt es also auch. Ganz gemütlich erreiche ich den nächsten Zug nach Salzburg. Es ist faszinierend, wie sich die Landschaft verändert. Beim Anblick der ersten hohen Berge wandere ich in Gedanken schon los. Ich freue mich schon so darauf, den Gipfeln entgegenzuschnaufen! Und bis jetzt fühle ich mich auch in meinen neuen Wanderschuhen noch sauwohl.
In Salzburg habe ich eine Stunde Aufenthalt. Das ist perfekt, weil ich mir noch eine Fahrkarte für die Weiterfahrt buchen muss.Meinen ersten Impuls, den Automaten anzusteuern ignorierend, nehme ich spontan die Dienste einer Schalterbeamten in Anspruch. Welch weise Entscheidung! Sie gibt mir nämlich den Tipp, dass in zehn Minuten der Postbus fährt, der mich direkt zu meinem Ziel bringt, ohne nochmal umsteigen zu müssen. Hervorragend. So bin ich sogar eine Stunde eher da und kann noch meinen Hamstervorrat für die Woche einkaufen. Ich melde mich telefonisch bei meinen Vermietern, die mich dort abholen wollen.Wie die ganze Anreise klappt auch das perfekt. Ich bin gerade fertig mit einkaufen, als die Schwiegertochter vorfährt. Wir laden alle meine Gepäckstücke ein und ab geht die Post. Vom letzten Jahr sind mir die Straßen noch sehr vertraut. Es ist wie nach Hause kommen. Die Fahrt dauert nicht sehr lange, da die Eseihütte noch im Tal liegt im Gegensatz zum Hüttendorf. 

Wir überqueren den Bach auf einer nagelneuen Brücke, an der auch gerade noch die letzten Arbeiten erledigt werden. 

Dann noch ein paar Kurven auf einem Feldweg, durch Viehgatter hindurch und wir haben die Hütte erreicht. 

Mir bleibt der Mund offen stehen. Ich wusste ja, dass es eine große Hütte ist, aber dass sie so schön und idyllisch ist, hatte ich mir nicht träumen lassen. Vor kurzem wurde auch alles erneuert, so dass z.B. die Terasse, Bänke und Tische aus hellem, duftenden Holz sind. Ich versuche mal, eine Beschreibung zu liefern. Großes Grundstück,  auf dem zwei Häuser stehen, 

eine Grillstelle (Lagerfeuer), 

ein Brunnen (aushöhlter Baumstamm mit ständigem Zulauf),

Tisch mit zwei Bänken, 

Klohäuschen mit WC.



Das Haupthaus hat eine Terasse mit Tisch und Bänken, 



zwei Schlafzimmer,  

ein Zimmer mit Holzofen, Eckbank, Tisch und Küchenschrank. 



Es folgt ein ehemaliger Stall, darin ein Plumsklo, Holz für den Ofen und allerlei Krimskrams. 

Treppe zum Dachboden 



mit 8-Bett-Zimmer und Balkon. 



Das zweite, kleinere Haus hat ein Schlafzimmer und Badezimmer mit Dusche und Waschbecken. Dort steht ein Badeofen,den man beheizen kann für warmes Wasser. 




Um das Grundstück herum bewegen sich drei dazugehörige Kühe, die ganz zutraulich sind und mit ihrem Glockengeläut das Alpenfeeling stimmig untermalen.

Ich packe meine Sachen aus, mache Feuer und beschließe, einen Abendspaziergang hinauf zum Hüttendorf zu machen. 

Ich wusste zwar, dass es noch ein ganzes Stück bis dorthin ist, aber es zieht sich dann doch ganz schön in die Länge. 5 km stetig bergauf. Meine Hoffnung, dass die Hansalhütte noch geöffnet ist, erfüllt sich weithin hörbar. Der Wirt hat wieder sein Akkordeon und die Teufelsgeige am Wickel und schmettert mit seinen Gästen Volkslieder. 






Einer ist so begeistert, dass es ihn nicht auf seinem Platz hält. Er springt auf und fängt an, entfesselt zu tanzen. Eigentlich bin ich kein Fan von Volksmusik, aber hier gehört sie her und klingt einladend . Ich setze mich dazu und werde vom Wirt mit Handschlag begrüßt. Er will noch was sagen, aber ich platze mit meiner Bestellung dazwischen. Er macht den Mund wieder zu, nickt und dreht um. Als er mir dann mein Radler auf den Tisch stellt, nimmt er nochmal Anlauf. "Du warst doch letztes Jahr schon hier! Bist auf den Hochgolling nauf!" Ich bin baff, dass er mich wiedererkannt hat. Ich berichtige ihn, dass ich nicht oben war, weil ich nicht die passenden Schuhe hatte und zeige ihm meine neuen, nun richtigen Wanderschuhe. Sie werden anerkennend abgenickt. Er macht weiter mit seinen Späßchen, alle amüsieren sich. Ich verstehe nur Bahnhof, aber das ist egal.Als ich erzähle, dass ich in der Eseihütte bin, ernte ich ungläubiges Staunen. "Ganz alloah?" Wir unterhalten uns dann alle übers Wandern, was der Wirt zum Anlass nimmt, mich als tauglich, weil stämmig einzustufen. Danke! Das baut auf. Als mein Radler alle ist, verabschiede ich mich, was alle offensichtlich ungehörig finden. Ich entschuldige mich mit meinem langen Heimweg und dass ich nach der langen Anreise müde bin. Der Wirt winkt ab und wirkt beleidigt. Egal, ich muss ins Bett.

Sonntag, 13.07.14
Ich habe mir keinen Wecker gestellt und lasse es drauf ankommen, wann ich wach werde. Das passiert um 9 Uhr. Die Augen noch geschlossen, weiß ich sofort, wo ich bin. Der Bach unten vor der Hütte rauscht, die Kuhglocken bimmeln leise. Ich stehe auf, mache erst mal Feuer, denn sonst gibts keinen Kaffee. Den Badeofen zu beheizen, bin ich zu faul. Die Konsequenz lautet: kalt duschen. Aber das macht mir nichts aus. Danach fühlt man sich so frisch und straff! Nach dieser Art von Wachrütteln schmeckt das Frühstück besonders gut. Natürlich draußen. Ich blicke auf die Hütte und die herrliche Landschaft, neben mir die Kühe. So ist das Leben schön! Ich telefoniere mit Max, meinem Cousin zweiten Grades (oder Großcousin?), der mich mit seiner Frau ab Mittwoch besuchen will. Und schon ist es 12 Uhr. Nun aber ab in die Berge! Gerade, als ich loslaufe, fängt es an zu regnen. 


Aber das macht nichts, habe ja meine tolle Regenjacke. 
Glücklich nehme ich mein Zuhause für die nächste Woche von der Straße aus in Augenschein.

Noch planlos, suche ich nach einem Weg und finde einen Wegweiser zur Gensgitsch-Hütte. 

Zweieinhalb Stunden, steht am Ausgangspunkt darauf. Es beginnt harmlos. An einer Kreuzung laufe ich erst einmal den falschen Weg weiter, merke das nach ca. einer halben Stunde, als er plötzlich endet. Kehrt marsch! Der richtige Weg biegt nach 1 km ab, wie zu erwarten, steil nach oben. Und so bleibt das auch. 

Die Verschnaufpausen erfolgen in immer kürzeren Abständen, aber wenn mich der Ehrgeiz erst mal gepackt hat, gibts kein zurück. In weniger als der angegebenen Zeit bin ich schließlich oben an der Hütte, die allerdings nicht zugänglich ist. Aber dort hängt ein Schild: Gensgitsch-Höhe 1,5 Std. Eigentlich reicht es mir für heute mit dem Hochklettern, aber nun bin ich schon mal so weit gekommen, da wäre es doch albern, jetzt nicht noch bis ganz hoch zu laufen. Also los. Es ist im Prinzip eine schräge Hochebene, durch die sich ein steiler Pfad schlängelt. 



Ich habe jetzt 800 Höhenmeter bewältigt und befinde mich auf einer Höhe von rund 2000 m. Ich merke, dass es mir ab und zu schwindlig wird, aber so kurz vorm Ziel gebe ich doch nicht auf! Jetzt wird es immer dunkler und stiller. Merkwürdige Stimmung. Der Berg flößt Respekt ein. Der Blick zurück offenbart einen überwältigenden Ausblick auf mehrere Dörfer gleichzeitig, die klitzeklein ganz weit unten liegen. Wie ein Blick aus dem Flugzeug. 


Und nun werde ich doch zur Umkehr gezwungen. Eine Nebelwand kommt mit hoher Geschwindigkeit aus dem Nichts auf mich zu. Jetzt siegt die Vernunft. Ich renne fast die Hochebene hinunter. Nichts wäre schlimmer, als im Nebel die Orientierung zu verlieren. 

Nun geht es nur noch bergab. Meine Beine schlottern, das ist unglaublich anstrengend,  vor allem in dem Tempo. Ich staune, welch lange Strecke ich nach oben gekraxelt bin. Kommt mir abwärts viel länger vor. Gegen 19 Uhr bin ich wieder in meiner Hütte, ziemlich erschöpft. Aber meine Schuhe, die mir in Berlin beim Einlaufen solche Probleme bereitet haben, funktionieren tadellos. Vor der Haustür liegen Handtücher,  die mir noch gebracht worden sind. Obenauf ein Sträußchen Blumen. 

Ich mache Feuer, koche mir eine Suppe und lasse den Tag ausklingen. Ich staune über den Suppenteller, der sehr ostig aussieht und es bei näherem Betrachten auch ist. Auf wundersame Weise hat Kahla-Geschirr den Weg in die österreichischen Alpen gefunden.

Montag, 14.07.14
Um 7 Uhr habe ich ausgeschlafen, finde es aber noch viel zu zeitig zum Aufstehen. Um 9 hält es mich aber nicht mehr länger im Bett. Zunächst muss Feuer gemacht werden (Kaffee), und auch den Badeofen beschließe ich zu heizen. Kann ja nicht schaden, sich auch mal warm zu waschen. Allerdings wurde mir eingeschärft, ihn nicht über 60 Grad hochzutreiben. Schwer einzuschätzen,  denn wenn das Holz erst mal brennt, gibts kein zurück. Inzwischen kocht das Wasser. Ich brühe gleich zwei Tassen auf und stelle eine in das Warmhaltefach des Ofens. Man wird erfinderisch und lernt praktisch zu denken, wenn man für alles selber sorgen muss. Gute Survival-Schule. Frühstück wieder an der etwas erhöht stehenden Bank, 

von der ich meinen befristeten Besitzerstolz über das Anwesen und die Landschaft genießen kann.
Noch unschlüssig,  wo ich heute hinwandern möchte, mache ich mich einfach auf den Weg und überlasse das dem Zufall. 
Wie immer, muss ich mir auch heute den Weg mit zutraulichen Kühen teilen.

Auch andere seltsame Wanderer begegnen mir:

Ich folge einem ausgeschilderten Weg, der mich schließlich wieder  auf den gleichen Berg wie gestern führt. Gar nicht so verkehrt, denn gestern abend habe ich beim Ausräumen meiner Tasche gemerkt, dass 15 € fehlen, die mir offensichtlich unterwegs rausgefallen sind. Vielleicht finde ich sie ja wieder? Also auf ein Neues, den Berg nach oben! Es fängt an zu regnen, aber meine bewährte Regenjacke schützt mich gut. Schnaufend steige ich bergan, von Geld keine Spur. Aber vielleicht schaffe ich es heute, bis auf den Gipfel zu kommen. Fast dort angekommen, wo ich gestern vorm Nebel geflüchtet bin, sehe ich plötzlich versteckt unter einem Baum einen Mann sitzen. Gleich kommen mir Gedanken wie: der wird mir doch nichts tun? Hier oben in dieser Einsamkeit? Ich lasse mir nichts anmerken, grüße freundlich und klettere weiter nach oben, den Blick gesenkt, denn eventuell liegt ja doch noch irgenwo mein Geld. Ungefähr an der gleichen Stelle wie gestern drehe ich mich um und sehe doch tatsächlich wieder so eine Nebelwand auf mich zuwabern! 


Es soll eben nicht sein, dass ich bis zum Gipfelkreuz komme. Der Nebel flößt mir zu viel Respekt ein, um meinen Ehrgeiz hier auf Teufel komm raus auszuleben. Nun muss ich allerdings wieder an dem merkwürdigen Mann vorbei, der dann wirklich auf mich zukommt. Meine Befürchtung erweist sich als absolut lächerlich. Es ist ein ganz netter, alter Mann, drahtig, mit wettergegerbtem Gesicht, der mir erzählt, dass er zwei seiner Pferde sucht, die dort oben sind. Sein Sohn ist schon vorausgegangen und hat sie gefunden. Er wartet hier auf Sohn und Pferde. Natürlich will er auch wissen, was ich denn so mache, wo ich herkomme und wo ich untergebracht bin. Das übliche Staunen, dass ich ganz allein hier Urlaub mache. Wir verabschieden uns freundlich und ich steige weiter hinab. Den Weg kenne ich ja nun schon sehr gut. Als ich ganz unten bin, sehe ich im Gras was schimmern. Mein Geld!! Wie schön! Da liegen sie ganz brav und nass, meine 15 €.

Dienstag, 15.07.14
Als ich vors Haus trete, ungewaschen, noch etwas verquollen, im schicken Unterwäsche-Outfit, steht mir ein Mann gegenüber. Schreck, lass nach!  Er stellt sich als der Hüttenbesitzer vor, der mal nach dem Rechten schauen wollte. Was solls, ich will ihn ja nicht heiraten, also halten wir ein Schwätzchen, als wäre es das Normalste von der Welt. Er empfiehlt mir eine Wanderung zum Gumma, einem Berg direkt über meiner Hütte. Wenn man genau hinschaut, sieht man ganz winzig klein das Gipfelkreuz.

Der Berg ist 2365 m hoch, meine Hütte liegt bei 1285 m. Also knapp 1100 m Höhenunterschied.  Aber das ist doch kein Hinderungsgrund für mich! Aufi gets! Zunächst muss ich ein ganzes Stück ins Dorf zurück,  bevor es bergauf geht. Nach ein paar Kehren habe ich schon die Nase voll. Warum ist bergauf laufen nur so anstrengend? Gott sei Dank weiß ich nicht, was mir noch bevorsteht. Irgendwann finde ich ein Schritttempo, das ich durchgehend beibehalten kann, einen Fuß vor den anderen, es ist fast wie ein Mantra. Die Gedanken reduzieren sich aufs Gehen, alles andere wird aus den Gehirnwindungen verbannt. Nach zwei Stunden komme ich auf einer Hochebene an, wo mehrere Hütten stehen, ein gekreuzigter Jesus hängt und Kühe in allen Farben gemütlich von hier nach da schlendern. 


Ich plumpse auf die Bank unter Jesus und mache Pause. 

Die wunderbare Aussicht gibt den Augen viel Beschäftigung.

Von hier aus ist das Gipfelkreuz des Gumma schon deutlicher zu sehen, aber immer noch anstrengend weit weg. 

Meine Beine sind zwar wie Gummi, aber ich bin der Meinung, auch mit Gummi schafft man es zum Gumma! Hochmotiviert starte ich nach einer halben Stunde durch, nicht ahnend, dass jetzt die eigentliche Herausforderung kommt. Zweieinhalb Stunden steiniger Kraxelpfad, auf dem nochmal 500 Höhenmeter zurückzulegen sind. 



Wenn man hochschaut, sieht man immer ein Stück Weg bis zum Horizont und denkt: gleich habe ich es geschafft! Doch wenn man dort angekommen ist, ist das vermeintliche Ziel genauso weit weg wie vorher. 

Aber aufgeben gilt nicht!  Als dann das Kreuz dicht vor mir auftaucht, bin ich so stolz auf mich. Der sich mir eröffnende Rundumblick ist mit nichts zu vergleichen!  







Die Berge und Täler sind weithin einsehbar, die Dörfer bunte Flecken inmitten grüner Wiesen. Ich versuche, diesen Anblick zu speichern, trage mich ins Gipfelbuch ein und lasse mich von einem anderen Gipfelstürmer fotografieren. 



Und nun muss ich ja auch wieder runter. Im Gipfelbuch steht, dass man den Berg erst bezwungen hat, wenn man wieder unten ist, bis dahin gehört man dem Berg. Mit weichen Knien komme ich in Göriach an, wo mich der Sohn des Vermieters aufgabelt und zu meiner Erleichterung bis zur Hütte fährt. Ich lasse den Abend am Lagerfeuer ausklingen 

und falle um 22 Uhr in den Tiefschlaf.

Mittwoch, 16.07.14
Heute ist Ruhetag. Die Sonne scheint, und ich beschließe,  die Solarzellen meines Körpers aufzuheizen. Ich baue mir auf der Terasse eine gemütliche Liegefläche und schlafe sofort wieder ein. Geweckt werde ich von einem Pfiff. Ich tauche auf in die Wirklichkeit und sehe mich dem Bergführer gegenüber,  mit dem ich letztes Jahr die Hochgollingtour geplant hatte. Hier ist es so, dass man nicht unerkannt abtauchen kann, und Zäune sind nur dazu da, das Vieh abzugrenzen. Wieder so eine peinliche Situation wie gestern, aber auch heute nur meinerseits. Ich tue so, als ob das selbstverständlich ist, dass da plötzlich jemand steht. Wir vereinbaren, zu telefonieren, da heute meine Verwandtschaft aus München anreist und sie vielleicht auch die Tour machen wollen.
Mittags schlendere ich mit meinen technischen Geräten zum Hotel Bauer, in dem die Friedrichs übernachten, warte dort auf ihre Ankunft und lade die Akkus auf. Gemeinsam gehen wir zurück in meine Hütte, ich zeige ihnen mein Schloss mit Besitzerstolz. Wir planen die morgige gemeinsame Wanderung zu den Landawierseen, plaudern noch ein bisschen über gemeinsame Vorfahren, Dialiekte, die DDR und vieles mehr. Während sie sich auf den Heimweg machen, heize ich ein (abends wird es kühl) und packe mein Bündel für morgen.

Donnerstag, 17.07.14
Heute bin ich vorbereitet auf den allmorgendlichen Männerbesuch. Ordentlich gekleidet, gecremt und frisiert, trete ich unerschrocken auf die Terasse, gespannt, wer mich wohl heute besucht. Doch mir blicken nur drei neugierige Kühe entgegen, die sich dann aber sofort wieder gelangweilt ihrem Fressrausch hingeben. Mittlerweile kennen sie mich und haben mich offensichtlich mental in die kleine Herde integriert. Nun gut, allzu groß ist meine Enttäuschung dann auch nicht und ich widme mich den nötigen Arbeiten wie Feuer machen, Asche entsorgen, duschen, frühstücken.  Um 8.30 Uhr mache ich mich auf den Weg zum Hüttendorf, wo ich mich mit Max und Freundin Christine zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zu den Landawierseen treffen will. Die beiden kommen mit abenteuerlichen Fahrgelegenheiten per Anhalter hinterher, nämlich z.B. in der Baggerschaufel eines Traktors. Am Tag vorher kam ich auf die geniale Idee, den Hansalwirt, dessen Haus direkt gegenüber des Hotels von Christine und Max steht, zu fragen, ob er die beiden nicht mitnehmen kann, wenn er hoch zur Hütte fährt. Wir sahen ihn auf seinem Hof an einem Traktor werkeln und gingen auf ihn zu. Er strahlte mich an: "Griaßi, Rrrenatte! Wos gits?" Er meinte, es wäre koan Prroblemm, seine Muatta könne um nein Uar in derer Früh die boaden mitnemma. Diese Verabredung ist dann aber heute morgen geplatzt, so dass meine Mitwanderer erfolgreich andere Möglichkeiten nutzen. Ich warte bei einer Tasse Kaffee in der Hansalhütte, wo ich am Samstag schon mal war. Zu mir setzen sich tiefgebräunte Radfahrer fortgeschrittenen Alters, die mich kurz vorher bei meinem Aufstieg überholt haben.  Hier setzt man sich nicht an getrennte Tische. Sie bestellen Buttermilch, die so lecker aussieht, dass ich mir auch ein Glas bestelle. Max und Christine, die mittlerweile angekommen sind, auch. Frisch gestärkt gehts dann los, den Bergseen entgegen. Da Christine eine Gewitterphobie hat und es in der Ferne tatsächlich danach aussieht, kehrt sie wieder um, beteuernd, dass wir ruhig weiterlaufen sollen, sie werde schon zurechtkommen. Also ächze ich mit Max alleine weiter hoch, bis es anfängt zu regnen und der Himmel keine Hoffnung ausstrahlt, dass es demnächst wieder aufhört. Ich wäre ja unbeeindruckt weitergestiefelt, aber Max, der immer sehr vernünftig ist, plädiert für Umkehr. Ich will jetzt eben auch nicht so exaltiert aus der Rolle fallen und gebe mich einsichtig. Ca. zehn Minuten später werfe ich gewohnheitsmäßig einen Blick zurück, strahlend blauer Himmel lacht mich an. Wir zögern nicht lange, sondern wechseln abermals die Richtung und steigen wieder hoch. So kann man den Weg sportlich verlängern. Ich kenne ihn ja schon zur Genüge vom letzten Jahr, es ist nicht gerade ein Spaziergang.  Aber das Ziel lockt, und das heißt zunächst: Einkehr in der bewirtschafteten Landawierseehütte. Wir bestellen Getränke und ich noch Frankfurter Würschtel mit Senf. Die geriebene Käsebeilage treibt mir Tränen in die Augen und stellt sich spürbar als Meerettich heraus. Max holt aus den Tiefen seines Rucksacks gekochte Eier, Käse, Bananen, belegte Brötchen und vieles mehr, erkundigt sich aber, ob er das hier verzehren darf. Darf er. Später entdecken wir auf der Speisekarte Heidelbeer-Kaiserschmarrn und können nicht widerstehen. Am Nachbartisch wird unserer Bestellung ebenso entgegengefiebert, weil nach deren Begutachtung entschieden werden soll, ob sie auch dem Appetit das Feld überlassen werden. Auch hier werde ich übrigens wiedererkannt und mit einem strahlenden Lächeln begrüßt "Grias Gott! Wie getts? Du woast letztes Johr drunten in der Schöberlhüttn, gel? I hob doch gleich gdocht, dass i di kenna!" So ist das hier überall, es ist wie nach Hause kommen.
Wir brechen dann auf zu den beiden Seen, die hinter der Hütte liegen. Um einen Blick auf beide Seen gleichzeitig werfen zu können,  müssen wir nochmal ganz schön Höhenmeter schrubben, da der zweite See oberhalb des ersten liegt. 




Und tatsächlich liegt dort, in fast 2100 m Höhe noch eine dicke Schneekante an Ufer. Ich baue einen kleinen Schneemann, so viel Zeit muss sein. Es ist einfach eine wunderschöne, malerische Kulisse, voller Ruhe und Erhabenheit.




Um Christine im Hüttendorf nicht unnötig warten zu lassen, verlassen wir den wunderschönen Ort und beginnen den Abstieg, der einem, egal wo, immer länger vorkommt. Christine ist aber mittlerweile schon aus dem Hüttendorf weiter hinab ins Hotel gelaufen. Wir trinken noch was, essen einen der gerade frischgebackenen Krapfen und warten auf den Tälerbus. Der Busfahrer freut sich über uns einzige Fahrgäste und lässt mich sogar direkt an meiner Eseihütte aussteigen. Auf dem letzten Stück Weg begrüßen mich meine drei Kühe mit der gewohnten Gelassenheit. Nach den üblichen Verrichtungen entscheide ich mich, heute mal wieder ein Lagerfeuer anzuzünden. Bis nach Mitternacht sitze ich dort in Decken gewickelt, mit heißem Tee, Salzstangen und Schokolade, starre ins Feuer und beobachte, wie die Berge ringsum in der Dunkelheit versinken.




Freitag, 18.87.14
Wie tags zuvor vereinbart, verlasse ich morgens um 8 Uhr meine Hütte, um zum Hotel Bauer zu wandern. Dort frühstücken Friedrichs und ich gemeinsam, um uns danach ausgeschlafen, gestärkt und hochmotiviert für mich ein zweites Mal dem Gumma, meinem 2365 Meter hohen Hausberg zuzuwenden. Ganz gemächlich bewegen wir uns vorwärts,  was mir anfangs ungewohnt vorkommt, später aber als ideales Schritttempo zugute kommt. Letztendlich kommen wir genauso gut voran. Die Wildbachhütte, zu der wir immerhin schon  600 Höhenmeter zurückgelegt haben, ist ein ideales Pausenziel. Eine herrliche Aussicht bietend, versorgt sie die ausgepowerten Wanderer mit Köstlichkeiten aus der Region. Vorgestern bin ich daran vorbeigelaufen und gleich zum Gipfel gekrochen, heute bestelle ich mir eine leckere Kasknödelsuppn. Christine ist sich nicht sicher, ob sie uns weiter nach oben begleitet, wir können sie aber zu dem Versuch überreden. Mit dem Erreichen der Baumgrenze ist auch ihre Grenze erreicht. Sie steigt zur Hütte ab und wartet dort auf uns. Max und ich haben mit Sicherheit keine bessere Kondition, sind aber ehrgeiziger. Es gilt nun, auf kurzen, steilen und steinigen Serpentinen nochmal 500 Höhenmeter zurückzulegen. Vorgestern brauchte ich dafür 2,5 Stunden, heute 1,5, weil ich nicht immerzu stehenbleibe. Ganz oben sind doch tatsächlich auch noch Kühe anzutreffen,  die sich augenscheinlich wundern, was wir in so luftiger Höhe zu suchen haben. Vielleicht bangen sie um ihr saftiges Gras. 



Uns interessiert nur der Ausblick, der auch diesmal unvergleichlich gewaltig ist. Sogar der Großglockner ist zu erkennen, und natürlich meine winzige Hütte tief unter uns. 



Der nicht ungefährliche Abstieg (eine Frau meinte, man muss aufpassen, dass man sauber tritt) geht wieder sehr zu Lasten der Kniegelenke. Wir wanken in die Wirtschaft zu Christine, erfrischen uns mit einem Getränk (frische Buttermilch-oberlecker!) und kommen auf die später bereute Idee, einen anderen Weg zurückzugehen, nicht ahnend, dass er wesentlich länger ist. Meine Wanderschuhe haben sich ja trotz gegenteiliger Befürchtung hier sehr bewährt,  aber jetzt ist der Betonklotz-Status erreicht. Schlurf, schlurf schleppen wir uns vorbei an fleißigen Bauern, die Heu einfahren, werden fast immer angesprochen, ob wir vom Gumma kommen. Große Anerkennung kommt uns zuteil, weil wir wirklich den längstmöglichen Weg genommen haben. Am Hotel verabschieden wir uns. Essen will ich dort nicht, ich habe nur noch ein Bedürfnis: Schuhe aus! Die Bauersche Speisekarte bietet außerdem wohl nur Riesenportionen Fleisch.
Wie es der Zufall will, gabelt mich wieder der Vermietersohn auf und fährt mich zu meiner allergrößten Freude zur Hütte. Er war sowieso dorthin unterwegs, weil er nach dem Wasser für die Kühe schauen will. Kaum habe ich meine Wanderschuhe abgestreift, geht es mir wieder besser. Ich packe meine Sachen, räume auf, mache sauber, heize nochmal gut ein, auch den Badeofen, weil ich morgen früh dafür keine Zeit haben werde. Ich bin ein bisschen traurig, weil das der letzte Abend im Paradies ist.





Samstag, 19.07.14
Ich hatte natürlich Angst, zu verschlafen, aber alles hat geklappt. Wie vereinbart,  werde ich um 7 Uhr von der Schwiegertochter abgeholt. Ein letzter wehmütiger Blick auf mein Refugium, dann gehts los. Unterwegs sammeln wir die Friedrichs ein. Ich verabschiede mich von der netten jungen Frau bis vielleicht nächstes Jahr. Der Postbus bringt uns nach Salzburg, wo wir 3 Stunden Aufenthalt haben. Die nutzen wir für eine kleine Stadterkundung. 
Kurz durch die Altstadt, 

die wegen der gerade beginnenden Salzburger Festspiele überbevölkert ist mit aufgerüschten Schönen und Reichen. Auch die Auslagen in den Geschäften sind dem natürlich angepasst. 


Aus einer Buchhandlung, wo ich mir ein österreichisch-deutsches Wörterbuch kaufe, pfeift mich Christine in Anbetracht unserer knapp bemessenen Zeit wieder raus. 
Hier das Geburtshaus von Mozart:

Ein Klingelzug:

Wir geraten mitten in einen Wochenmarkt mit so vielen appetitlichen Angeboten, dass wir trotz Aufbietung aller Willenskraft hemmungslos zuschlagen.  Zum Schluss wandern wir auf einem Rundweg oberhalb der Altstadt und haben von dort einen guten Blick über die Stadt, 


erfrischen uns in der Stadtalm 

und laufen zum Bahnhof zurück, wo ich mich in Anbetracht der Hitze noch komplett umziehe. In München trennen sich unsere Wege. Meine Reise dauert nun noch 6,5 Stunden.
Aus die Maus.







KLASSENTREFFEN IN GOHRISCH, SÄCHSISCHE SCHWEIZ
Vom 25.-27.April 2014 fand mal wieder ein Wochenendausflug mit meiner ehemaligen Abiturklasse statt, diesmal in die schöne Sächsische Schweiz. Unser Hotel Albrechtshof hat eine spannende Geschichte vorzuweisen. Es war früher mal Gästehaus der DDR-Regierung. Auf der Website findet man genauere Infos. Der Ost-Charme haftet ihm noch an und es gibt etliche leerstehende Gebäude auf dem Gelände:



und leerstehende Brunnen mit ekligen Bewohnern:



Nach einer durchzechten Nacht wanderten wir dann aber tapfer zum Pfaffenstein und zur Barbarine:




Im Ort Königstein gab es die kleinen Dinge zu entdecken:



Den Sonntag nutzten wir für einen Besuch der Festung Königstein, eine riesige Burganlage mit beeindruckendem Rundumblick und Blütenzauber im Überfluss:







Ganz fasziniert waren wir vom Fasskeller tief unter der Erde:



Es gibt so viel zu entdecken auf der Welt, wie sollen wir das alles schaffen?

SPAZIERGANG DURCH TEMPELHOF_SCHÖNEBERG
Wenn man sich mal aufrafft und ausschwärmt, um Berlin besser kennenzulernen, kann man viele interessante Dinge entdecken. Ausgehend vom Bahnhof Südkreuz, kamen wir an der Gedenkstätte Papestraße vorbei, früher ein Gefängnis der SA, wo viele Menschen gefoltert und ermordet wurden. Heute ist hier u.a. das Robert-Koch-Institut angesiedelt. Zwischen den Bauten sind idyllische Kleingärten versteckt.
Ein Stück weiter erhebt sich ein riesiger hässlicher Betonzylinder. 

Der 1941 errichtete Schwerbelastungskörper sollte der Belastbarkeit des Baugrunds für den von Hitler geplanten größenwahnsinnigen Triumpfbogen an der Nord-Süd-Achse dienen. Aus Berlin sollte Germania werden.
In der bei mir sehr beliebten Akazienstraße mit dem gemütlichen Café Bilderbuch habe ich natürlich wieder viele schöne Dinge entdeckt wie z.B. Ohrringe aus Filz und eine Bluse, die unbedingt von mir gekauft werden wollten. Ich habe ihnen den Gefallen getan.
Wir kamen vorbei an der Apostel-Paulus-Kirche, eine der größten Kirchen Berlins mit 1200 Sitzplätzen.


Weiter gings vorbei am Wohnhaus von Hildegard Knef, dem Geburtshaus von Marlene Dietrich in der Leberstr. 65, dem nicht zu übersehenden Gasometer und einer der ältesten Pizzerien Berlins gegenüber vom Heinrich-Lassen-Park in der Belziger Str.
Und schon kam das majestätische Rathaus Schöneberg in Sicht, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich der Rudolf-Wilde-Park (früher Volkspark Schöneberg) befindet. Wenn man ihn betritt, wird man von einem goldenen Hirsch freundlich begrüßt:



Im Hintergrund sahen wir eine Art Pavillon, in dem ein gemütliches Licht schimmerte. Beim Näherkommen entpuppte dieser sich als der U-Bahnhof Rathaus Schöneberg.



Ein ausgesprochen schönes Gebäude! Auf einer Infotafel erfuhren wir, dass Schöneberg bis Anfang des 20. Jh. eine eigenständige Stadt war und die Linie U4 in Eigenregie erbaut hat. Noch ahnten wir nicht, dass dieses Bahnhofsgebäude gleichzeitig eine Brücke ist und der Park dahinter sich scheinbar endlos weiter erstreckt. 

Wir hatten unser Ziel nun fast erreicht. Noch 600 m zum Innsbrucker Platz entlang der gleichnamigen Straße, vorbei an der Wirkungsstätte einer weiteren berühmten Person


beendeten wir unsere Erkundungstour in der Dämmerstunde des sonnigen 18. Januar 2014.


ROTHAARSTEIG
Samstag, 14.09.13
Nach den Turbulenzen der letzten drei Urlaubswochen bin ich sehr froh, nun tatsächlich eine ganze Woche dem Alltag entfliehen zu können. Der Rothaarsteig befindet sich zum größten Teil in Nordrhein-Westfalen, einem von uns bisher unerforschtem Gebiet. 154 km sind zu bewältigen, Schwierigkeitsgrad mittel bis schwer. Alles kein Problem, eher eine Herausforderung, aber die stürmischen und regnerischen Wetterprognosen machen uns schon ein bisschen Sorgen. Hoffen wir mal, dass alles ganz anders kommt!
Der heutige Tag besteht überwiegend aus Anreise. Zunächst mit dem Zug über Bielefeld nach Paderborn, von dort aus noch eine Stunde mit dem Bus nach Brilon, das mir bis jetzt nur als ein Ort mit einer ungewöhnlich innovativen Bibliotheksarbeit bekannt ist. Dort beginnt der Rothaarsteig.
Eigentlich müssten wir jetzt mit dem Bus weiter nach Petersborn, einem Ortsteil von Brilon, aber das verstößt gegen die Wandererehre. Wenn schon, dann muss jeder Kilometer zu Fuß zurückgelegt werden! Also ziehen wir mit unseren Rollkoffern los über Stock und Stein, bergauf und über steile Treppen hinauf und hinunter. 
Manch irritierter oder mitleidiger Blick verfolgt uns, wir werden sogar von einer Autofahrerin angesprochen, ob sie uns behilflich sein könne. Die letzten 800 m laufen wir durch den Regen. Sie reichen aus, uns völlig durchnässt im Hotel ankommen zu lassen. Alles nicht so schlimm, allerdings erreichen uns mehrfach euphorische Nachrichten aus Berlin über das schöne Wetter dort. Das frustriert dann doch ein bisschen. Ein kõstliches Abendbrot entschädigt uns. Bratkartoffeln mit und ohne Schnitzel und dazu wärmenden Grog. Kerstin kommt später zum Essen, sie muss erst ihre Pflichtaufgaben erfüllen, findet aber nichts. Da gerade Brunnenfest ist hier im Ort, mischen wir uns im Schutz der Dunkelheit unter die Einheimischen, lassen uns vom Lagerfeuer räuchern und beobachten die sinkenden Hemmschwellen parallel zum steigenden Alkoholspiegel. Obwohl sich der unsrige auf einem sehr niedrigen Level befindet, rammle ich nachts auf dem Weg ins Bad volle Kanne mit meinem Kopf an die Kante einer Wandschräge. Aua! Der Schmerz wird mich die Woche begleiten.

Sonntag, 15.09.13
Nach einer ansonsten erholsamen Nacht schreiten wir um 8 Uhr zu einem üppig gedeckten Frühstückstisch. Es fehlt uns an nichts. Das Lunchpaket übertrifft ebenfalls alle Erwartungen. Darin befinden sich 4 Stullen, 1 Brötchen, 1 Ei, Wasser, Schnaps, Schokolade und ein Apfel. Kerstin hat schon in nassen Wiesen gebadet auf der neuerlichen Suche nach ihren Caches, leider wieder ohne Erfolg. Sie ist ganz traurig. Dafür kennt sie den weiteren Wegverlauf nun schon sehr gut. Sie kam völlig durchnässt zurück und musste sich vor dem Frühstück schon ein erstes Mal umziehen. Irgendwie trödeln wir ziemlich rum, so dass wir erst 9.30 Uhr starten. Das ist ganz schön spät, weil wir 31 km vor uns haben. Zu Beginn haben wir zudem kleine Orientierungsprobleme, aber schließlich sind wir auf der richtigen Spur. Mit uns starten auch ein Rentnerduo und zwei junge Männer, die uns eine ganze Weile auf den Fersen bleiben. Es ist schon ein bisschen beschämend, wenn ca. 70jährige eine bessere Kondition haben als wir! Wir passieren sehr schöne Wege mit Kunstwerken gespickt, mit herrlichen Aussichten auf das Sauerland, vielen Infotafeln und Sinnsprüchen und lauschigen Rastplätzen. 



Manchmal geht Kerstin getrennt von uns, da sie neben dem recht anstrengenden Anstieg zusätzlich ihre Caches sucht und meistens auch findet. Gott sei Dank ist uns das Wetter gnädig. Das Ganze im Regen würde Erschwerniszulage bedeuten. Uns flehen voll behangene Heidelbeersträucher an, sie von ihrer Last zu befreien, was uns zeitlich noch mehr zurückwirft. Eine längere Pause gönnen wir uns aber, schließlich müssen wir unseren Proviant vertilgen. 
So geht das dann weiter, bis wir endlich 19.30 Uhr in Küstelberg in unserer Pension ankommen. Auch hier werden wir sehr freundlich empfangen und in großzügigen Appartments untergebracht. Wir gehen noch essen im einzigen geöffneten Gasthof des Ortes, wo wir wiederum eine Herzlichkeit spüren, die uns in diesem Landstrich auf Schritt und Tritt begegnet. Zurück in der Pension, schaffen wir noch 10 min Fernsehen, dann plumpsen uns die Augen zu.


Montag, 16.09.13 und Dienstag, 17.09.13
Gestern hat mir die Motivation zum Schreiben gefehlt, deswegen muss ich heute zwei Tage abarbeiten. Wir sind jetzt bei Kilometer 90 von insgesamt 170, haben also in drei Tagen mehr als die Hälfte geschafft. Heute haben wir einen Zeitungsartikel gelesen, in dem von zwei Männern berichtet wird, die diese Strecke am Stück in 34 Stunden gelaufen sind. Gerd hat nun große Bedenken, dass ich dadurch angestachelt werde, diesen Rekord zu brechen. Doch zurück zu gestern. Nach einem ausgesprochen stilvollen und gemütlichem Frühstück im Haus Sonntag bei einer Wintersportler-Familie mit Pokalen ohne Ende 
starteten wir im Regen in den Tag. Wider Erwarten wurde das Wetter geradezu sonnig, was die Bewältigung der 29 km wesentlich erleichterte. Wir kamen immer stückchenweise voran, bis Kerstin wieder einen von ihren zahlreichen Caches suchen musste. 

Da ich lieber konstant mein Tempo halte, lief ich meistens schon weiter. Es ging natürlich wieder bergauf und bergab, aber nicht so heftig wie gestern. Die Luft war herrlich frisch, aber auch kalt. Unser Weg führte uns durch Winterberg, einem wohlsituierten Ort, in dem die Reichen und Schönen Urlaub machen. Also nichts für uns. Wir kauften Postkarten, Zigaretten und ein Regencape. Zur Halbzeit hatten wir den Kahlen Asten erreicht, dem Brocken nicht unähnlich. Eine Busladung nach der anderen wird angekarrt und schon bald ertrugen wir die vielen Menschen nicht mehr. Gerd sagte:"Ich muss hier weg! Ich will wieder in den Wald!" Wenn man tagelang nur von Bäumen, Bächen und Vogelgezwitscher umgeben ist, geht einem das alles tierisch auf die Nerven. 
Die Idylle fing uns aber bald wieder ein.







19 Uhr trudelten wir in dem Ort Schanze ein und fielen gleich in den Gasthof, wo wir die Nacht verbringen sollten. Hier schwappte uns nicht so eine Welle der Freundlichkeit entgegen, aber es war schon alles in Ordnung so. Wie immer gingen wir noch essen und anschließend schlafen. Unser Tagesablauf ist nicht so wahnsinnig abwechslungsreich.
Heute morgen, als ich noch orientierungslos und irritiert die fremde Person im Spiegel anstarre, hat Kerstin schon ihre Frühsportrunde gedreht. Natürlich wegen eines Caches. Da kennt sie ja nichts. Am Frühstückstisch schwärmt sie uns vor, wie ansprechend der sogenannte Kyrill-Pfad gestaltet ist. Leider führt uns der Rothaarsteig nicht dort vorbei. Bei 3 Grad machen wir uns auf unseren heutigen Weg, der vergleichsweise kurz ist, nur 26 km. Zu Beginn geht es zu meiner Freude fast 6 km nur bergab, da kommt man gut voran. Der Ort Latrop empfängt uns wie auch alle anderen Dörfer mit liebevoll gepflegten Grünanlagen und schmucken Häusern. Es ist alles wahnsinnig ordentlich, aber trotzdem so, dass man es nicht übertrieben findet, sondern es bewundernd registriert. Wir stapfen durch finstere Wälder, über Wurzelpfade, sonnige Wiesen, genießen wieder herrliche Aussichten. Ab und zu lädt eine Hängematte aus Holz zum Schaukeln ein oder riesige Bilderrahmen zum bewussten Wahrnehmen eines Landschaftsausschnittes. 

Klare, frische Luft füllt unsere Lungen. Hin und wieder schauert es ein bisschen. Schneller als gedacht, kommen wir um 16.30 Uhr am Rhein-Weser-Turm an, unserem heutigen Quartier. Eine sehr nette Wirtin zeigt uns unsere Zimmer und wir vereinbaren eine Abendbrotszeit. Natürlich müssen Kerstin und ich den Turm besteigen. Zu unserer Verwunderung steht in jeder der vielen Etagen ein Tisch mit Stühlen. Wir erfahren später, dass man im Sommer ein Menü buchen kann, bei dem man sich von Gang zu Gang immer weiter nach oben isst, bis man ganz oben angekommen ist. Tolle Idee! Die Aussicht ist phantastisch! Nach dem Essen hätten wir noch sitzen bleiben und selber Bier zapfen können, aber die Betten rufen. Morgen warten 29 km auf uns.

Mittwoch, 18.09.13 und Donnerstag, 19.09.13
Als wir am Morgen aus dem Fenster schauen, stellen wir Sinn und Zweck unseres Urlaubs in Frage. 

Es regnet seit Stunden, dicke Nebelschwaden wabern umher und das Thermometer zeigt ganze 3 Grad an. Wir brechen in Selbstmitleid aus und widmen uns erst mal dem Frühstück. Ganz in Ruhe. Ehe wir dann unsere Sachen gepackt haben und bereit sind zum Abmarsch in den Nebel des Grauens, ist es tatsächlich schon ein bisschen heller geworden. Wider Erwarten gefällt es uns im Wald richtig gut! Alles ist so still, die Blätter funkeln, das Gras ist perlenübersät mit Tautropfen, die Luft klar und sauber. Normalerweise würde man bei solchem Wetter nicht auf die Idee kommen, wandern zu gehen, aber einmal unterwegs, ist man froh, diese Schönheit und Ruhe erleben zu können. Wir marschieren durch das idyllische Schwarzbachtal, das gar nicht enden zu scheint 


zum Dreiherrnstein, alles Namen, die auch am Rennsteig auftauchen. Wir treffen auf eine lustige Truppe älterer Herren, die seit 30 Jahren jährlich gemeinsam eine Wanderung unternehmen. Nie länger als vier Tage, da ihnen sonst die Frauen weglaufen, sagen sie. Sie erzählen noch so dies und das und wandern dann weiter. Man kommt meistens schnell ins Gespräch so unter Gleichgesinnten.
Wettermäßig wird es besser, auch heute zeigt sich die Sonne manchmal. Wir kommen an riesigen Ameisenhaufen vorbei und entdecken Unmengen essbarer und giftiger Pilze. Unsere Mittagspause halten wir unterhalb eines Aussichtssturms ab, der nur 15 Meter hoch ist, mir aber trotzdem heftiges Bauchkribbeln verursacht.
Auf den letzten Kilometern rutscht Kerstin bei einer sportlichen Umgehung einer Pfütze in Matschepampe, die ihrem Outfit den letzten Schliff verleiht.

Gegen 18.30 Uhr haben wir unser Ziel erreicht, den Gasthof "Zur Siegquelle" in Großenbach. Es dauert ein bisschen, bis der Wirt auf unser Rufen hört. Er zeigt uns unsere Zimmer mit braunen, offensichtlich schon versteinerten Spuren in der Toilette und wartet dann in seiner Wirtschaft auf uns. Wir sind die einzigen Gäste, wie es scheint. Die vielgepriesene Freundlichkeit vermissen wir hier ein bisschen, dafür hat er eine sehr spezielle Art von Humor. Als er uns das Besteck hinlegt, niest er vorher nochmal herzhaft darauf, er scheint sehr erkältet zu sein. Unauffällig wischen wir es vor Gebrauch mit der Serviette ab. Das ist doch ein bisschen eklig. Aber das Essen ist hervorragend. Am meisten begeistern mich frittierte rohe Spaghettis. Sie schmecken wie Brotrinde. Auch mein Grog hat ein sehr gutes Mischungsverhältnis und löst heftige Heiterkeitsattacken aus, allerdings nur bei mir.
Zufrieden und erschöpft schlafen wir bis zum nächsten Morgen und sind gespannt, ob der Wirt immer noch verschnupft ist. Das Frühstück schmeckt, wie immer. Wir packen unseren Proviant ein und trödeln noch ein bisschen rum. Ungeduldig werden wir verabschiedet, das Auto für den Koffertransfer wartet schon. Wir starten in einen kühlen, aber trockenen Tag auf wunderschönen Wegen, 

die auf diesem Abschnitt besonders liebevoll gestaltet sind mit vielen Infotafeln und Spielmöglichkeiten für Kinder. 




Auch für Kerstin, die wie immer viel zu tun hat. 

Sie nimmt große Umwege in Kauf und hetzt dann hinter uns her, um wieder aufzuholen. Heute biegt sie an einer Stelle nach rechts ab auf den Jagdberg, Gerd und ich wandern langsam in die andere Richtung weiter bis zur Ilsequelle, der seit Jahrhunderten große Heilkraft zugesprochen wird. Natürlich probieren wir auch davon und merken, dass das Wasser viel besser schmeckt als das mitgebrachte. 

Kerstin hat uns in der Zeit wieder eingeholt um dann festzustellen, dass der Rothaarsteig sie nun nochmal von der anderen Seite auf den Berg führt, wo sie vor einer Stunde schon mal war. Wir kommen gut voran und wandern auch lange Abschnitte stumm hintereinander. Jeder hängt so seinen Gedanken nach. Unsere Pause verbringen wir in einer Hütte. Gerade, als wir unseren obligagorischen Umtrunk starten, betreten zwei junge Männer unseren Unterstand. Es sind die beiden, die schon am ersten Tag mehrmals unseren Weg kreuzten. Großes Hallo und Austausch über den bisherigen Weg folgen. Wir haben zwar das gleiche Streckenpensum, aber die zwei übernachten immer im Wald, was wir uns bei den Temperaturen nicht so richtig prickelnd vorstellen. Es folgt ein ausgesprochen schöner Weg, 







bis wir uns der Autobahn und einer vielbefahrenen Straße nähern. Unglaublicher Lärm erfüllt den Wald und macht uns deutlich, was Lärmverschmutzung bedeutet. Auf diesem Abschnitt gibt es auch keine Bänke, verständlicherweise. Die letzten Kilometer bis zum Hotel in Würgendorf fallen uns ein bisschen schwer, aber natürlich schaffen wir auch diese. Wir werden schon erwartet und kommen zum Ausklang des Tages in den Genuss von sehr gutem und wie immer viel zu reichlichem Essen. Die Kellnerin fragt uns ein bisschen aus, so dass wir auch unsere Eindrücke von unserer Wanderung schildern und besonders die freundlichen Menschen lobend erwähnen. Diese Bemerkung löst bei zwei Frauen am Nebentisch hämisches Gelächter aus. Sie sind wohl anderer Meinung. Nun noch das Pflichtprogramm wie Schuheputzen und Duschen absolvieren. Zu mehr reichts nicht. Schlafen!

Freitag, den 20.09.13
Wie jeden Morgen freuen wir uns auch heute auf das Frühstück. Zum ersten und letzten Mal in dieser Woche starten wir früher als 9.30 Uhr, weil die Wirtin uns um 8.45 Uhr mit dem Auto zu dem Punkt fährt, wo die 20-km-Tour nach Dillenburg beginnt. Wir bekommen leckeres Zubehör für unser Pausenbrot, auch das ein letztes Mal, bevor wir in ihren kleinen Audi steigen, der wie von Zauberhand startet, bevor die Fahrerin eingestiegen ist und auch per Knopfdruck den Kofferraum selbstständig öffnet und schließt. Wir beginnen schon um 9 Uhr unsere letzte Etappe, die uns nochmal heftig bergauf und -ab führt. 

Wir stellen fest, dass der Rothaarsteig hier nicht mehr ganz so perfekt gepflegt ist wie in NRW. Es gibt weniger Wegweiser und weniger schöne Bänke, Hängematten gar nicht mehr. Kerstin sucht unverdrossen ihre Caches, wir machen solange Pause. Ganz entspannt kommen wir langsam voran und freuen uns, dass es nicht regnet. Nun, wo mein Urlaub vorbei ist, wird das Wetter ja nochmal wunderschön.
An einer sehr idyllischen Hütte ist ein etwas kitschiges Gedicht zu lesen, das mir aber trotzdem sehr aus dem Herzen spricht.

So entdecken wir noch viele Dinge, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein Birnbaumspalier an einer Hauswand, 

ganz viele Herbstzeitlose, 

Warnung vor Mundraub, 


tolle Ausblicke und letztendlich die Stadt Dillenburg, die uns noch einmal so Einiges an Höhenmetern zumutet. Wir wandern im Prinzip am Waldrand um Dillenburg herum, bis wir hinabsteigen und durch die Altstadt marschieren auf der Suche nach dem Portal für Beginn oder Ende der Wanderung. Es ist ein erhabenes Gefühl, fast wie eine Eroberung. Wir haben diese Strecke zu Fuß bewältigt, und darauf sind wir stolz..

In der Hoffnung, dass wir hier Stocknägel zu kaufen bekommen, fragen wir in mehreren Läden nach. Vergeblich. Aber wir passieren wie auch schon zu Beginn unserer Wanderung die Stadtbücherei, die in einem sehr schönen, altehrwürdigen Haus untergebracht ist. Sie hat montags geschlossen, sonst 12-18 Uhr geöffnet, mittwochs und samstags 10-13 Uhr. Es gibt sogar eine Bücherklappe, allerdings erhält der Leser bei dieser Art von Rückgabe keine Quittung. Am meisten freuen wir uns über ein italienisches Eiscafé, das wir sogleich in Beschlag nehmen. Kerstin lädt uns ein. Wir sind rundum begeistert. Sam genießt den leckeren Kaffee, Kerstin singt Lobeshymnen auf das Eis und auch mir schmeckt der Joghurtbecher ausgezeichnet.
Zwei ca. 8-10jährige Jungs quatschen uns an und verwickeln uns in ein sehr amüsamtes Gespräch. Vor allem interessieren sie sich für unsere Stöcke und die Schilder darauf und ob wir da schon überall waren. "Alter Schwede...", sagt der eine bewundernd.
Mittlerweile ist es später Nachmittag und wir überlegen, wie wir nun zu unserem Hotel kommen, das sich in einem Nebenort von Dillenburg befindet, etwa 3 km entfernt. Der Bus ist gerade weg, also laufen wir hin, was sonst. Ein letztes Mal steil bergauf. Warum unsere letzte Unterkunft nicht direkt in Dillenburg gebucht wurde, erschließt sich uns nicht so richtig. Ich werde das aber noch klären, denn wir müssen schließlich morgen früh zurück zum Bahnhof. Das ist alles ein bisschen umständlich.
Eibach ist ein unglaublich sauberer Ort mit Häusern, die eher Villen sind. In unserem Hotelzimmer lerne ich eine Dusche der besonderen Art kennen. Sie verfügt über eine integrierte Sitzbank und einen Spiegel innerhalb der Kabine! Zum Abendbrot gönnen wir uns nochmal ein Schlemmeressen. Als die Rechnung kommt, hat die etwas neben der Spur laufende Kellnerin Gerds Schnitzel vergessen. Sie findet das total lustig. Schon als sie uns die Zimmer zugeteilt hat, formulierte sie den merkwürdigen Satz:"Das Doppelzimmer ist oben im 2. Stock und das Einzelzimmer ist auf derselben Etage." Als Kerstin dann ihr Zimmer suchte, stellte sich aber heraus, dass es im Erdgeschoss liegt.
Nach dem Essen beschließt Kerstin, ihre vermoderten Schuhe in einem der örtlichen Papierkörbe zu entsorgen und gleichzeitig die Bushaltestelle auszukundschaften für morgen. Gerd begleitet sie und hilft ihr, den sauberen Ort mithilfe von Kippen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich verkrümle mich derweil schon ins Bett. Zurück im Hotel, begehrt Gerd vor der falschen Zimmertür um Einlass. Er klopft, rüttelt an der abgeschlossenen Tür, ruft - vergeblich, während ich mich wundere, warum er nicht einfach reinkommt. Also schaue ich mal raus auf den Flur und finde ihn vor dem Nebenzimmer. Großes Gelächter. Die werden auch froh sein, wenn die Hottentotten morgen weiterziehen.

Samstag, 21.09.13
Bus und Bahn bringen uns zuverlässig und pünktlich nach Berlin. In der Straßenbahn wird uns schonungslos bewusst, dass wir wieder zu Hause sind. Dicke, hässliche und laute Menschen, NPD-Demo, unfreundliche Redensarten. Schnell nach Hause, damit der Erholungseffekt nicht gleich wieder im Eimer ist.

Als Anerkennung für unsere sportlichen Leistungen haben wir sogar eine Urkunde bekommen:






ÖSTERREICH _ SALZBURGER LAND (LUNGAU)
30.08.2013 bis 05.09.2013
Endlich war es soweit - mein Traum vom Urlaub in einer Almhütte sollte Wirklichkeit werden, wenn auch nur für 5 Tage.
12 Stunden Anreise mit Bahn und Bus nahm ich gerne in Kauf, um für ein paar Tage in dieser majestätischen Landschaft herumstrolchen zu können.
Alleine schon die Fahrt war ein Erlebnis der besonderen Art. In der Bahn unterhielt eine hessisch-schwätzende, sehr lebhafte Dame das ganze Abteil, während hinter mir ein altes Ehepaar aus Franken seine Streitigkeiten ausfocht. Die anschließende Busfahrt versetzte mich schon in Urlaubsstimmung. Herrliche alpine Landschaften boten sich meinen Blicken dar. Die Haltestellen hatten Namen wie "Gnadenalm", "Trinkeralm" usw. Wir fuhren an dem Arzthaus Dr. Aufmesser vorbei, und als wir in Mauterndorf ankamen, steig ich aus, obwohl zu Beginn der Busfahrer anbot: "Sie müssens noch amoal umsteign. Ich (mit "Ach"-Laut) sog Ihna bescheid, wanns aussteign müssn." Aber als emanzipierte Frau ist man ja selbstständig und weiß auch ohne Hilfe, wo man umsteigen muss. Großer Fehler! Als ich endlich die richtige Haltestelle gefunden hatte, war der Bus weg. Also rief ich meinen netten Vermieter an, der mich dort einsammelte. Er brachte mich bis vor die Tür "meiner" Hütte im Göriachtal, die für die nächsten Tage Ausgangspunkt für meine Streifzüge werden sollte.





Ich bekomme alles gezeigt: Wasser, eine extra Hütte mit Solardusche und Plumpsklo, die Speisekammer und den Holzschuppen. Es gibt sogar (Solar) Licht! Gleich nebenan ist eine bewirtschaftete Hütte und 50 m weiter noch eine. Hätte ich gar nicht soviel einkaufen brauchen. Ich werfe meine Sachen ab und nehme die erste Wanderung in Angriff: den ¨Zwei-Seen-Weg¨. Hier wird die Weglänge in Stunden angegeben. Es ist von 90 Minuten die Rede, aber ich brauche länger. Allerdings gehe ich auch noch weiter als geplant. Es geht stetig bergauf, ebenso mein Blutdruck. Die Wege sind sehr steinig, man läuft also permanent auf Geröll. Das ist ganz schön anstrengend. Etliche Wanderer haben das gleiche Ziel. Man grüßt sich immer. Entweder mit ¨Grüß Gott¨ oder ¨Pfirzi¨, was immer das auch heißt. Alle sagen ¨Du¨ zueinander. Beim Überholen kommt man auch mal ins Gespräch, ich falle auf, weil ich alleine unterwegs bin. Der Weg zieht sich, ist aber landschaftlich nicht zu toppen. 








Weite Täler, Wasserfälle, Bäche, durch die man auch mal durchwaten muss, vereinzelte Schneefelder, hohe felsige Berge. Der Weg erinnert mich fast 1:1 an Norwegen. Nach zwei Stunden bin ich am oberen See angelangt und mische mich unter eine Kuhherde, die dort gerade ruht. Ich tue es ihnen gleich und genieße die wärmende Sonne, bis mich eine Schafherde umzingelt und mich anstupst. Das wird mir dann doch zu aufdringlich, also setze ich meinen Weg fort, weiter hinauf, bis ich hoch oben über den beiden Seen stehe und ein grandioses Panorama vor mir habe. Sehr beeindruckend und gewaltig, so dass man mit großem Respekt erkennt, wie klein und hilflos man als Mensch der Natur gegenüber ist.


 Ich treffe auf ein Paar, das am überlegen ist, ob sie noch weiter hoch kraxeln und auf dem Kamm zurücklaufen. Sie will nicht mehr so richtig, er ist noch voller Tatendrang. Ich natürlich auch und laufe weiter. Die Frau ruft mir hinterher, sie würde mir ein bisschen zuschauen und dann entscheiden, ob sie noch weitergeht. Aber natürlich sind die beiden dann auch weitergelaufen. Ich lasse sie an mir vorbei, denn ich habe nicht gerne Leute hinter mir. Tja, und dann wird der Weg zum Pfad und der Pfad immer steiler, so dass ich teilweise auf allen vieren hochkraxle. Als der Weg dann aber zur Klettertour über Felsen ausartet, kapituliere ich und kehre um. Die Frau auch. Ihr Mann natürlich nicht, er kraxelt unerschrocken die Wände hoch.
Der Rückweg kommt mir unglaublich endlos vor. Es ist das erste Mal, dass mich bergab mehr anstrengt als bergauf. Mit weichen Knien erreiche ich gegen 17:30 Uhr meine Hütte und bin heilfroh, es geschafft zu haben.
Da ich morgen natürlich weiterwandern möchte, aber keine vernünftige Karte habe, gehe ich in die bewirtschaftete Nachbarhütte. Ich erwarte eine Art kleine Kneipe, lande aber in einer Küche. Erst denke ich, dass ich falsch bin, aber es hat alles seine Richtigkeit. Ein freundliches Muttchen steht am Herd und brutzelt leckeres Essen, wovon man auch was bekommen kann. Sie weiß schon bescheid, dass ich die Frau bin, die allein in einer Hütte wohnt und fragt mich, ob ich morgen wieder rüberkomme. Karten hat sie nicht. Deshalb versuche ich in der Hansalhütte mein Glück. Der Wirt kommt mir gleich entgegen, und mehrere Augenpaare ruhen auf mir. In der Hütte steht wieder eine Oma am Herd und kocht, die zwei Tische sind eng besetzt von Einheimischen, die schon mächtig einen im Tee haben und deswegen sehr lustig sind. Auf meine Frage nach einer Wanderkarte bekomme ich die Antwort: ¨Na, dos hoabn wia net. Oaba ia koan dia dan Weg erklor! Wo wielst Du hin?¨ Als ich größenwahnsinnig was vom Hochgolling fasle (2862 m), meint er, da bräuchte ich einen Bergführer und zeigt auf einen Jägersmann, der mich prüfend betrachtet. In der nächsten Sekunde sitze ich dort am Tisch mit einem Obstler vor mir und muss erst mal mit allen anstoßen. Dann werde ich vom Bergführer-Jäger ins Kreuzverhör genommen. Ob ich Wandererfahrung habe, ob ich trainiert bin, ob ich schwindelfrei bin und mit Seil klettern kann. Spätestens an der Stelle ist mir klar, dass ich den Hochgolling nicht besteigen werde. Er meint, dass er schon, als ich hereingekommen bin, gesehen hätte, dass ich sehr selbstbewusst wäre und lobt mich, dass ich nicht an Selbstüberschätzung leide und nicht wie viele andere Touristen auf eigene Faust die Tour gemacht habe. Viele hätten es schon mit dem Leben bezahlt. Darauf einen zweiten Obstler. Der Wirt hängt sich ein Akkordeon um und alle schmettern mit und schunkeln, es ist sehr gemütlich.
Als mir aber vom Nachbartisch einer zuruft, meine Augen würden so strahlen und unter den Blumen auf einer Wiese wäre ich die Orchidee, weiß ich, dass es Zeit für mich wird, die lustige Runde zu verlassen.
In meiner Hütte knistert das Holz im Ofen. Es ist kuschlig warm. Ich lese noch ein bisschen und krieche dann ins Bett, das ein bisschen nach Kuhstall riecht.

Sonntag, 01.09.13        
In der Nacht fängt es schon an zu regnen und auch als es hell wird, prasselt der Regen noch aufs Dach. Das heißt, heute ist Ruhetag.




Ich mache erst mal Feuer, dann gehe ich duschen - kalt. Huhhh! Ich bins ja gewöhnt, aber im Anschluss an das heiße Wasser. Nur kalt ist schon heftig, vor allem beim Haarewaschen. Aber danach fühlt man sich topfit! Nun frühstücke ich ausgiebig und gemütlich, abwaschen, etwas Wäsche waschen. Schwupps, läuft mir der Jäger Albert wieder über den Weg. So ein Zufall aber auch! Er geht nebenan Kaffeetrinken und erzählt mir, dass er hoch zur Berghütte fährt, weil er seinen täglichen Kontrollgang (fahrt) machen muss, schauen, ob Gemsen verletzt oder krank sind, was öfter vorkommt. Wenn ich möchte, könnte ich mitfahren. Da heute Wandern ausfällt wegen Schlechtwetter und meine tolle Regenjacke in der Waldheimer Straße hängt, denke ich - warum nicht. Und los gehts den gleichen Weg, den ich gestern gelaufen bin. Eine abenteuerliche Fahrt immer am Abgrund entlang über Felsbrocken! Ab und zu hält er an und schaut durchs Fernrohr, wenn er zuvor aus dem Auto heraus die Gemsen (mit bloßem Auge wohlgemerkt) entdeckt hat. Ich sehe nichts. Auch nicht durchs Fernglas. Erst als er das Teleskop-Fernrohr herausholt und es direkt auf die Tiere richtet, kann ich was erkennen.
In der Hütte oben trinke ich einen "Schnapstee" und bestelle Schmalzbrot, nicht ahnend, dass es sich dabei um fünf dick bestrichene Scheiben handelt! Aus diesem Grund muss ich noch ein bisschen laufen, um die Kalorien in die Schranken zu weisen. 
Bei meiner Rückkehr kommt mir meine Vermieterin entgegen und steckt mir 15 € zu. "Ich hob mich so gschamt für mei Mo, dos er Ihna sovüll Geld abgnumma hot. Sie bleibens doch nur a poar Toag!" Ich hatte gestern 18 € für Bettwäsche, Gaskartusche und Müllsack bezahlt, die ich nun fast wieder zurück hatte. Ihr Mann durfte nichts davon wissen!
Außerdem hatten sie mir noch Kohlenanzünder hingelegt. Sie luden mich ein zum Umtrunk in die Wirtschaft nebenan. Der Tisch war schon besetzt, aber alle rückten zusammen und wir tranken weiße Mischung (Weißweinschorle). Das war sooo gemütlich! Jeder erzählte ein paar Geschichten,denen ich nicht immer folgen konnte, aber das war egal.

Montag, 02.09.13
Und wieder führt mich der Weg bis zum Oberen Landwiersee, das sind ca. 650 Höhenmeter auf 6 km Weglänge und wird als mittelschwer bezeichnet. Doch das reicht mir nicht, immerhin war ich hier ja schon. Also kraxle ich weiter bis zum Scharnock, einem Berg über dem See, 2500 m hoch und nochmal 8 km. Dabei muss ich wiederum 400 Höhenmeter überwinden. Allerdings klettere ich nicht bis zum Gipfelkreuz, das traue ich mir nicht zu. Man muss sich von einer Wegmarkierung zur nächsten hangeln, weil ein klassischer Weg nur selten zu erkennen ist. Die Luft wird immer dünner, ich pumpe schwer atmend, aber aufgeben kommt nicht in Frage. Oben pfeift mir der Wind um die Ohren, bläst die Sorgen aus dem Kopf und treibt sie in unerreichbare Ferne über die Bergspitzen hinweg. Mein Blick winkt ihnen fröhlich zum Abschied hinterher.





Dienstag, 03.09.13
Damit ich nicht immer in die gleiche Richtung laufen muss, setze ich mir für heute ein Ziel Richtung Göriach. Auf halber Strecke zum Ort muss ich links in den Wald abbiegen, um zum Piendlsee zu gelangen. Nicht ahnend, welche Anstrengung mir jetzt bevorsteht, wandere ich voller Elan bergauf, über Waldboden, Wiesen und später Felsen. Eine Kehre löst die nächste ab, und immer, wenn ich denke, dass ich ja nun bald oben sein müsste, stehe ich wieder vor 100 Metern steilem Anstieg, teilweise nur mit Händen und Füßen zu erklimmen. Zweieinhalb Stunden keuche ich asthmatisch noch oben, bis ich endlich zwei Hütten in einem Bergkessel entdecke. Hurra, denke ich. Geschafft!





Das ist allerdings ein Trugschluss. Um zum See zu gelangen, muss ich noch höher hinaus, durch Heidelbeeren hindurchwaten, schmalen Pfaden folgen, bis ich endlich den Piendlsee zu Gesicht bekomme.




Nun muss ich erst mal eine Pause machen. In Anbetracht des menschenleeren Panoramas wurde ich wieder stark an Norwegen erinnert. Gut erholt steige ich den langen Weg hinab, was zwar keine Atemnot auslöst, aber auch nicht so ohne ist. 
Als ich im Hüttendorf ankomme, habe ich großen Hunger und schaue nach, was heute in der Hansalhütte Leckeres gekocht wird. ich suche mir eine klare Suppe aus mit einem großen Semmelkloß in der Mitte. Köstlich! Sofort komme ich wieder ins Gespräch mit einer Frau am Nebentisch, die mir für morgen wertvolle Wandertipps gibt.

Mittwoch, 04.09.13
Mein Handy-Akku hat bis heute prima durchgehalten. Als Nur-Telefonier-Handy war es schließlich auch leicht unterfordert! Aber nun muss Strom getankt werden, weil ich morgen unbedingt einen Wecker brauche.
Also trabe ich durchs Tal hinab 9 km nach Göriach




und stöpsle meine Geräte in einem Gasthof an. Bis alles aufgeladen ist, schaue ich mir den Ort an (ist schnell erledigt) und suche mir danach einen Waldweg, der so einsam gelegen ist, dass ich mich dort unbemerkt sonnen kann. Herrlich, die Wärme auf der Haut!
Auf dem Rückweg komme ich in einen schattigen Abschnitt des Tales und habe das Gefühl, dass plötzlich Nacht geworden ist.



Unterwegs kehre ich ein und trinke einen Eiskaffee. Der Wirt will natürlich wissen, woher und wohin und wundert sich wie alle anderen auch, dass ich allein unterwegs bin.
"Gonz alloa? Un da is noch koaner fensterln kumma?"
Obwohl ich heute nicht geklettert bin, freue ich mich, als das Hüttendorf in Sicht ist. Später, als es dämmert, werden die Berge in ein ganz goldenes Licht getaucht.




Tja, und nun muss ich packen, denn morgen um 7 Uhr werde ich abgeholt und zum Bus gefahren, der mich nach Salzburg bringt.
Diese fünf Tage haben mich unglaublich geerdet und reduziert auf das Wesentliche, so dass ich eine Weile brauchen werde, bis ich die gehetzte Zivilisation, den Kommerz und die Leistungsgesellschaft wieder ertragen kann.

Hier noch ein letztes Foto, aufgenommen morgens um 7 Uhr.




SCHENKENLÄNDCHEN
11.08.2013 
Wanderung auf der "Lesefährte Waldweisen" im Schenkenländchen zwischen Hermsdorfer Mühle und Märkisch Buchholz.
Auf einer Strecke von 20 km befinden sich alle 300 Meter Lesepulte mit Texten der Weltliteratur zum Thema Wald. Insgesamt sind es etwa fünfzig mit kurzen, langen, heiteren, schwermütigen und auch sehr schwierigen poetischen Äußerungen.
Wir haben in Märkisch-Buchholz, dem Wohnort von Franz Fühmann, mit unserer Tour begonnen, die größtenteils gut ausgeschildert ist. Zunächst ging es an der Dahme entlang über Hammer bis hin zur Hermdorfer Schleuse. Sehr schöne Strecke. Ab Hermdorfer Mühle, wo uns eine sehr nette Frau die Örtlichkeiten gezeigt hat, wurde der Weg dann etwas langweilig.
Aber in Märkisch-Buchholz gab es zur Belohnung ein sehr leckeres Eis!












WULKOW
im Juni 2013
Die Dörfer im Oderbruch haben ihren ganz eigenen Charme. Man hat das Gefühl,  die Welt wäre hier noch in Ordnung, der Zusammenhalt unter den Bewohnern noch gegeben und Kosten-/Leistungsrechnung ein Fremdwort. Der Ökospeicher in Wulkow bietet viel Platz für große Gruppen und besticht durch preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten sowie ein Café mit Laden im Erdgeschoss. Dort kann man ganz vorzüglich speisen und den Blick über den Gutshof schweifen lassen.
Auffällig sind dort viele Baumriesen, so z. B. eine riesige Blutbuche:


und ein Tulpenbaum:


Ein idyllischer Wanderweg führt nach Lebus, das sich Bischofsstadt nennen darf. Direkt an der Oder gelegen, kann man von einer Anhöhe aus auf den Fluss und das Städtchen herunterblicken.



WISENTGEHEGE SPRINGE
Pfingsten 2013
...haben wir südlich von Hannover im Weserbergland verbracht, genauer - in Springe und Umgebung. Anlass war ein Weihnachtsgeschenk für meinen Liebsten : einen Tag Falkner sein. Samstag war der große Moment gekommen, leider total verregnet. Trotzdem war es sehr beeindruckend und interessant, den Vögeln mal so nahe zu sein, sozusagen auf Augenhöhe!






Am Sonntag schien dann tatsächlich mal die Sonne, so dass wir eine Wanderung im Deister (so heißt dort ein Gebirgszug) in Angriff nahmen. Oh, das war anstrengend! Berg hoch, oben die Aussicht vom Annaturm genießen, drüben wieder runter, um die legendären Wasserräder zu begutachten (sehr schön, vor allem für Kinder),



anschließend retour, also wieder hoch und runter, um zu unserem Auto zurückzukehren.
Unterwegs begleitete uns der Duft von Bärlauch,






den wir abends genussvoll verspeisten.
Damit der Kalorienverlust wieder ausgeglichen werden konnte, kehrten wir beim Griechen in Springe ein und stopften uns die Bäuche voll. War das lecker!.

Alles in allem ein wunderbares, erholsames Wochenende. Hier gibt es noch mehr Fotos





HOCHRHÖNER
Herbst 2012
Wir sind uns einig: der Hochrhöner hat das Prädikat "Premiumweg" auf jeden Fall verdient. Herrliche Landschaft, Ausblicke über die gesamte gelaufene Tagesstrecke, alle möglichen Wegarten, sehr gut ausgeschildert. Nicht umsonst heißt die Rhön "Land der offenen Fernen". Es war zeitweise natürlich auch ziemlich anstrengend, aber die ca. 150 km sind mit vielen Belohnungen für die Mühen gespickt.











Das Häuschen oben ist nicht mehr bewohnt. Es entspricht genau meinen Vorstellungen von meinem Alterswohnsitz. Am Wald, vor der Haustür eine Bank, von der aus man zu einem kleinen See blickt. So eine Idylle!

Nach der einwöchigen Wanderung durch fast menschenleere Natur fiel die Rückkehr nach Berlin nicht leicht.



MARZAHN
01.08.2012
Auch in Marzahn-Hellersdorf gibt es viele schöne Wanderwege, Flüsse und Seen. Wenn ich zu Fuß zur Arbeit gehe, laufe ich fast nur durch grüne Landschaften.




Am liebsten würde ich für alle Leute mit Vorurteilen mal eine Kiezführung veranstalten.


29.07.2012
Vergangenen Sonntag, am 29.07.12 war ich mit meiner Freundin in der Döberitzer Heide wandern. Bis zur Wende Militärgebiet, sieht man heute noch zahlreiche kriegerische Hinterlassenschaften. Der Weg ist beidseitig abgesperrt und in regelmäßigen Abständen von Warnschildern flankiert, außerdem sehr sandig bzw. von großen Pfützenseen verdeckt. Das alles wird aber wett gemacht von einer unglaublichen Stille, einer urwüchsigen Heidelandschaft und dem eventuellen Blick auf Großwild, das sich vor uns aber versteckt hielt. Leider ist die Ausschilderung katastrophal, so dass wir uns ständig verlaufen haben. Große Hitze wechselte sich mit starkem Regen ab und forderte uns kräftemäßig ziemlich heraus. Erst waren wir versucht, unsere Erschöpfungssymptome  auf das Alter zu schieben, aber das kann ja gar nicht sein.







2012
Während meiner Streifzüge durch die Natur habe ich mir für dieses Jahr ein Fotoprojekt ausgedacht. ich fotografiere mindestens zweimal wöchentlich immer den selben Baum. Das habe ich seit Januar konsequent duchgehalten und will es bis Dezember schaffen. Hier zum Vergleich zwei Beispiele:







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Bisher haben wir folgende Wandertouren absolviert:

2007 - Rennsteig
2009 - Hexenstieg
2010 - 66-Seen-Weg
2011 - Rheinsteig
2012 - Hochrhöner
2013 - Rothaarsteig
2014 - Schluchtensteig
2015 - Baierweg